Erdstösse und Stossverkehr
Zur Frage nach der Wassertemperatur. Versuch einer Antwort: Der Pazifik ist nicht bekannt für angenehme Badetemperaturen. Von Seattle über Oregon bis Nordkalifornien ist er a…kalt. Dort prallen die Brecher auch so gegen die Küste, dass Schwimmen undenkbar ist. Auch in San Francisco ist nur für Abgehärtete oder besonders Übermütige (etwa solche, die im Sommer sich überwinden, in den Geisspfadsee zu tauchen) ein kurzes Baden möglich. Von Alcatraz konnten auch darum, von möglicherweise einer Ausnahme abgesehen, keine Häftlinge ausbüchsen, weil sie auf der kaum 2 km breiten Strecke zur Stadt der Unterkühlung wegen ertranken. Wenn man sich LA nähert, wird das Baden allmählich zur Gewohnheit. In San Diego schliesslich schaudert einem der Sprung in die Wellen nicht mehr. (All das bezieht sich auf den Spätsommer.)
Wenn man jetzt im Süden von Costa Rica im Pazifik badet, gibt’s das Phänomen, das wir in der Schweiz selbst im Hochsommer kennen, nicht mehr: der kurze Moment des Sich-Überwinden-Müssens vor dem Eintauchen. Wenn man ins Meer hinaus kneipt, kommt bekanntlich der Moment, wo einem eine Welle bis unter die Achseln schwappt. - Puh!! - Dies erlebt man hier schon beim ersten Mal als richtiggehend wohlig. Die Temperatur aber ist gleichwohl noch immer erfrischend. Von einer seichwarmen Brühe zu sprechen wie an manchen Stränden am Mittelmeer wäre verfehlt.
Seit gestern Morgen um 4 Uhr 55 haben wir etwas begriffen vom Sinn der hiesigen Null-Architektur (einstöckige Häuser mit Blechdach). An unserem Kajütenbett rüttelte jemand äusserst heftig, gute zehn Sekunden lang. „Wollen unsere Zimmermitbewohnerinnen uns wecken?“, so unsere Spontanreaktion. Solche Kraft hätten wir den beiden eigentlich nicht zugetraut. Und auch nicht eine derartige Unverfrorenheit. – Tatsächlich war ein Erdstoss die Ursache!
Schon wenige Minuten später verifizierte Zeno übers Internet den Sachverhalt: Das Epizentrum war ganz in der Nähe, die Magnitude 6.1 (wurde später auf 5.8 korrigiert), der Herd lag in 33 km Tiefe. Nachdem wir in den letzten Wochen mehrmals die Kontraste zur Schweiz angesprochen haben, ergab sich nun für einmal eine Analogie. HerH
Nach einem eintägigen Zwischenstopp in San Isidro sind wir nun via San José zurück in Alajuela, sind also die gleiche Strecke in umgekehrter Richtung gefahren. Man hätte auch in einer Etappe von Uvita nach San José zurückkehren können. Wir wählten aus verschiedenen Gründen deren zwei : Zum einen gefällt uns die lebendige Stadt San Isidro. Das Hotel, die Verpflegungsmöglichkeiten und die Atmosphäre sagen uns zu. Nicht zu unterschätzen war aber der Vorteil, von San Isidro aus mit einem modernen Bus viel schneller in die Hauptstadt zu gelangen. So sparen wir uns zweieinhalb Stunden Busfahrt.
Wir nehmen dieses letzte Motiv zum Anlass, über das Reisen in Costa Rica überhaupt ein paar Aussagen zu machen. In jedes noch so entlegene Dorf gibt es eine Busverbindung, und zwar immer mehrmals täglich. Auf den Hauptrouten verkehren die Fernbusse fast stündlich. – Zu den Fahrpreisen: Mit den Velos durch Costa Rica zu fahren, hat uns mit Sicherheit kein Geld gespart. Der Transport der beiden Räder kostete nahezu 800 Franken. Für etwa einen Viertel dieser Summe hätten wir die gefahrenen Kilometer mit dem ÖV zurücklegen können. Ein Beispiel: Die 140 km von San Isidro nach San José mit einer Höhendifferenz von 2700 m kosten pro Person weniger als 6 Franken. (Private Busunternehmen bedienen diese Strecken.)
Wir haben Busse bzw. Reisecars verschiedenster Güteklassen kennengelernt, solche, die über steile Fahrzeugzerlegepisten rumpeln müssen und deren Kardanwellen das Achsgetriebe zu zermalmen scheinen und andere, die fast lautlos durch die Landschaft sausen, ungeachtet der Topografie. Die heutige Fahrt ist das Tüpfelchen auf dem i. Ein Car neuester Bauart mit Ledersesseln, Sicherheitsgurten, federweicher Dämpfung und einem Gepäck-Stauraum, der stehende Fahrräder fassen kann.
In Alajuela nehmen wir die Velos aus der Abstellkammer und begeben uns sogleich auf eine (letzte?) Fahrt. – Wie schon am ersten Tag unserer Reise suchen wir ausserhalb das Städtchens nach einem Geocache. – Die 25km-Runde ist ein Konzentrat unserer Tour: bergauf, bergab, kein einziges Flachstück, windig, verkehrsreich. Pura Vida! Ohne Gepäck und mit frischen Kräften jedoch ein Spass. (Wir lachen einander mehrmals zu.) Im frühabendlichen Stossverkehr kommt uns die Zweirad- Mobilität und eine offenbar inzwischen erlangte Abgebrühtheit zugute.