Paläste und Gartenanlagen in Esfahan

16. September 2003

Paläste und Gartenanlagen in Esfahan

16. September

Den Tag begannen wir mit einemimprovisierten Frühstück im Innenhof des Hotels. Manuel hatte Butter und Konfitüre besorgt, Gerold in der nahen Bäckerei das frische Brot. Weil der Ofen weniger hergab, als die Leute nachfragten, hatte sich dort eine Schlange gebildet. Der Bäcker unterhielt die Kundschaft mit Spässen oder verwickelte einzelne in kurze Gespräche, so dass es beim Warten niemandem langweilig wurde. Auch den neuen Fremden nahm er sich vor. Er wollte von Gerold u.a. wissen, wie er den Iran im Allgemeinen und Esfahan im Besonderen einschätze. Beide einigten sich rasch: auf chub (gut) für das Land und auf cheyli chub (sehr gut) für die Stadt. Und für die nächsten Tagen war damit das Begrüssungsritual festgelegt. Von weitem rief man es jeweils einander zu.

Zu den architektonischen Sehenswürdigkeiten Esfahans gehören nicht nur die Moscheen mit den berühmten blauen Fliesenkuppeln; singulär sind auch die Park- und Palastanlagen sowie die Fussgängerbrücken über den Zayandehrud. Ausgangspunkt für die zweite Stadtwanderung sollte der Meyden-é Imam sein, der 150 x 500 m grosse rechteckige Platz, der zum Palastareal von Shah Abbas I. gehörte. Mindestens eines der zahlreichen Prachtbauten hier wollten wir heute besuchen.

Esfahan. Ali Qapu-Torpalast. Über dem Eingangsiwan die Veranda, deren Dach von 18 Holzsäulen getragen wird.
Esfahan. Ali Qapu-Torpalast. Über dem Eingangsiwan die Veranda, deren Dach von 18 Holzsäulen getragen wird.

Während der Regierungszeit von Shah Abbas I. wurden auf dem ,Welt-Platz' Militärparaden, aber auch Polospiele veranstaltet. Der idealste Ort, dem Spektakel beizuwohnen, war ohne Zweifel die Veranda des Ali Qapu-Torpalasts. Das Gebäude liegt an der Schmalseite des Meyden-é Imam. Von ihm aus gelangte man ins dahinter liegende Palastgelände. Der fünfstöckige Palast diente verschiedenen Zwecken, u.a. war hier ein Teil der Verwaltung untergebracht. In einzelnen Räumen wohnten die ausländischen Gesandten, bis sie vom Shah offiziell empfangen wurden.

Der Eingangsiwan und die darüber liegende Veranda haben je die Höhe von zwei Stockwerken. Von der Veranda aus überblickt man den ganzen Platz. VIP-Lounges in modernen Sportstadien wirken im Vergleich dazu wie kümmerliche Nachbildungen. Das Original erreichen sie nicht. Keine der heutigen verglasten Aussichtsplattformen kann aufwarten mit einem reich verzierten Holzdach, das von 18 schlanken Säulen wie ein Baldachin in den Himmel gestemmt wird. Oder mit einem Springbrunnen in der Mitte eines über sechs Meter hohen Raumes. Die Räume und selbst die Treppenhäuser im Torpalast sind mit Wandmalereien versehen. Meist zeigen sie abstrahierte Pflanzenornamente.

Esfahan.
Esfahan.

Darin eingelassen sind aber auch figürliche Darstellungen, v.a. von sitzenden oder fliegenden Vögeln. In den grösseren Räumen haben die Maler sogar figürliche Szenen dargestellt.

Der prächtigste Raum des Gebäudes ist der mit einem nurgir, einem Lichtturm, überwölbte kreuzförmige Saal im fünften Stock, das sog. Musikzimmer. Der untere Teil der Wände dieses Raumes ist ebenfalls mit Malereien bedeckt, während die Wände und der Lichtturm darüber auf den ersten Blick eine bienenwabenförmige Struktur zu haben scheinen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass den mit zahlreichen Nischen durchbrochenen Wänden und Decken eine Gipsschale vorgebaut ist. In diese sind Formen von verschiedenartigen Gefässen unterschiedlicher Grösse geschnitten. Da hinein sollen früher tatsächlich Glas- und Metallgefässe gestellt worden sein. Das Ganze war nicht nur ein visuelles Glanzstück, sondern wirkte, was auch den Namen des Raumes erklärt, als raffinierter Klangverstärker.

Esfahan. Unter den Arkaden des Meydan-é Imam
Esfahan. Unter den Arkaden des Meydan-é Imam

Nur wenige Meter vom Torpalast entfernt befindet sich das Touristenbüro, das in Reisehandbüchern hoch gelobt wird. Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft hier ist in der Tat sprichwörtlich. Wir erkundigten uns, ob das vom Teppichhändler präsentierte Arrangement mit dem Privatfahrer seriös war. Die französisch sprechende Angestellte musste deswegen ziemlich herumtelefonieren, aber sie tat es ganz selbstverständlich. Daraus resultierte ein etwas günstigeres Angebot, eine Tagespauschale von 50 Franken. Die Preisdifferenz erklärte sich zum Teil mit der unterschiedlichen Qualität des Autos, aber es blieb einiges unklar, z.B. welche Kosten für Unterkunft und Verpflegung des Fahrers dazukämen. Vor einer Entscheidung wollten wir abklären, ob es tatsächlich so schwierig war, Flugtickets zu bekommen, z.B. für die Strecke von Shiraz nach Tehran. Genau dies hatte der junge Mann tags zuvor behauptet, und nur deshalb hatte sich die Idee mit dem Privatfahrer in unseren Köpfen eingenistet. Darum begaben wir uns nach den Abklärungen im Informationsbüro, mit dessen Inhaber wir uns übrigens auf Deutsch unterhalten konnten, gleich zur Geschäftsstelle der Iran Air. Wir erfuhren, dass es täglich mehrere Flüge von Shiraz in die Hauptstadt gibt, und dass diese keineswegs lange vorher ausgebucht sind. Wir reservierten provisorisch Plätze für Anfang Oktober. Bis zum folgenden Tag wollten wir den weiteren Verlauf der Reise planen und dabei auch entscheiden, ob wir bereits ab Esfahan mit einem Inlandflug weiterreisen würden.

Auf dem Weg zur Iran Air hatten wir im Nachtigallenpark Rast gemacht und dort auch den Hasht Behesht, den Acht-Paradies-Palast, angeschaut. Der zehn Hektaren grosse Paradiesgarten aus der Safawidenzeit weist einen wunderschönen alten Baumbestand auf. Es gibt hier auch Wasserläufe und Bassins. Das Gelände ist frei zugänglich und lädt mit seinen gepflegten Rasenflächen ein zum Flanieren und Ausruhen. (Auf demselben Rasenstück längere Zeit zu lagern ist allerdings nicht möglich, denn kaum hat man es sich bequem gemacht, legt bestimmt einer der vielen Gärtner einen Schlauch aus und beginnt genau dieses Rasenstück zu bewässern.)

Der Pavillon liegt an einem langgestreckten Wasserbassin. Das Besondere am zweistöckigen Bau ist seine originelle Form. Der rechteckige Grundriss ist so aufgebrochen, dass er wie ein Vieleck aussieht. Zudem sind die vier Fassadenflächen in der Mitte durch Iwane geöffnet, die über die ganze Bauhöhe reichen. So ergibt sich ein lichtdurchfluteter und schwerelos scheinender Gesamtbau. Sein Zentrum bildet ein hoher Kuppelsaal über einem achteckigen Wasserbecken. (Typisch für Esfahan, dass auch hier das Element Wasser massgebend in die Architektur einbezogen wurde.)

Esfahan. Wandmalerei in der Abbasi-Karawansarei
Esfahan. Wandmalerei in der Abbasi-Karawansarei

Zu Mittag assen wir im Abbasi-Hotel. Ursprünglich eine Karawansarei, wurde die Anlage zu einem Hotel der Superklasse umgebaut. Die Gästezimmer lagern sich wie ehedem um eine reich bepflanzte Gartenanlage mit einem Wasserlauf in der Mitte herum (siehe Abb. im historischen Überblick). Von den Zimmern im Erdgeschoss aus haben die Gäste einen direkten Zugang zum Garten. Oder sie können ihn von ihrem spitzbogigen Balkon aus betrachten. Es dürfte sich beim Abbasi um eines der attraktivsten Hotels im Iran handeln. Trotzdem sind die Preise moderat; ein Doppelzimmer kostet wenig mehr als 100 Dollar. (Wer allerdings eines der Zimmer mit Blick auf den Garten haben möchte, muss lange im Voraus reservieren.) Auch im Restaurant bezahlt man keine überhöhten Preise. Dabei kann man von den Tischen aus die Original-Wandgemälde aus dem 17. Jahrhundert betrachten.

Den Dienstagabend nutzten wir für einen Spaziergang entlang und über die Brücken des Zayandehrud. Auf die südliche Flussseite gelangten wir über die Allah Verdis Khan-Brücke. Shah Abbas I. liess sie 1602 erbauen. Sie ist 300 m lang und 14 m breit. Konstruiert ist das 300 m lange und 14 m breite Bauwerk über 33 Bögen, weshalb es auch Si-o-se Pol (33-Bogen-Brücke) genannt wird. Zurück auf das Nordufer gelangten wir später über die ebenso attraktive Pol-é Khadju, eine ebenfalls aus dem 17. Jh. stammende zweigeschossige Brücke mit 22 Bögen. In ihre Fundamente waren früher Schleusentore eingebaut, mit denen sich der Fluss bei Bedarf aufstauen liess. Unterwegs waren wir vorbeigekommen an der Pol-é Chubi, der 21-Bogen-Brücke, durch die hindurch in safawidischer Zeit in einem Kanal Wasser in die königlichen Gärten geführt wurde. (Quer über den Fluss wurde also ein Kanal geführt!)

Esfahan. Die Allah Verdi Khan- oder 33-Bogen-Brücke aus dem Jahre 1602 (hier nur etwas mehr als die Hälfte sichtbar) sichtbar)
Esfahan. Die Allah Verdi Khan- oder 33-Bogen-Brücke aus dem Jahre 1602 (hier nur etwas mehr als die Hälfte sichtbar) sichtbar)

Da die Einwohner Esfahans den Abend üblicherweise im Freien verbringen, herrscht vom späten Nachmittag an auf beiden Flussufern reges Treiben. Das berühmte Teehaus unter der 33-Bogen-Brücke ist meist bis auf den letzten Platz besetzt. Als wir von unserer Brückenwanderung zurückkamen, war es aber bereits geschlossen.

Auf dem Weg zum Fluss hatten wir noch beim Teppichhändler vorbeigeschaut. Wir mussten ihm Bescheid sagen wegen dem allenfalls zu organisierenden Privatfahrer. Wir verzichteten auf das Angebot, nahmen aber die Gelegenheit wahr, uns die Besonderheiten einiger Teppiche erklären zu lassen. Es ging dem Mann auch diesmal nicht ums Geschäft. Die Absage änderte nichts an seinem Verhalten uns gegenüber. Er genoss es dafür, uns zu beeindrucken, aber darin manifestierte sich der berechtigte Stolz des Händler und Fachkundigen. – Wir bekamen bestätigt, dass wir nicht einem Hochstapler aufgesessen waren. Inmitten all der seltenen Exemplare iranischer Teppichknüpfkunst, die an den Wänden der grossen Ausstellungshalle (von der Grösse einer Turnhalle) hingen, sahen wir uns in die Welt der Märchen aus tausend und einer Nacht versetzt. Wir erfuhren, dass der Handel zur Zeit stagniere. Die Firma sei aber finanzkräftig genug, um den Lagerbestand von mehreren tausend Stück laufend weiter zu vergrössern.

Wir blätterten auch in amerikanischen Zeitschriften, z.B. in einem Exemplar von »Newsweek«, wo sich Reportagen über die iranische Teppichknüpfkunst und den Teppichhandel fanden. Auf Fotos war auch ‚unser’ Händler zu sehen, beim Präsentieren kostbarer Stücke. Wir fragten ihn, wie sich der gegenwärtige politische Zustand Irans auf sein Unternehmen auswirke. Er sagte ohne Zögern, dass ihm bzw. seiner Familie die übermächtigen Mullahs nicht schadeten. „Von den herrschenden Verhältnissen können wir profitierten. Löhne und Lebenshaltungskosten im Land sind tief, deshalb lassen sich Teppiche nach wie vor günstig knüpfen. Das garantiert den international tätigen Händlern gute Gewinne.“

Und die rigorosen Normen bezüglich der Lebensweise? „Die reichen Iraner kümmert das wenig! Im Privatbereich haben sie ohnehin keine Gültigkeit. Und wir können ja jederzeit dorthin reisen, wo die Einschränkungen nicht gelten.“ Falsche Bescheidenheit kannte der Mann nicht. Bezeichnend das selbstbewusste Fazit: “Für die wirklich Reichen ist der Iran das Paradies!” (Wir erinnerten uns in diesem Moment wieder an das, was der Lehrer in Maku geäussert hatte. Wie sehr die Urteile über das Land doch vom sozialen Status des Urteilenden abhängen!) Dass der Händler finanziell in anderen Dimensionen denkt als die übrigen Iraner, zeigte sich an einem kleinen Detail, an der Art, wie er Geld auf sich trug. Iraner haben der Qualität ihrer Währung wegen immer einen ganzes Bündel sog. ‚Khomeynis’, 10'000er-Noten, bei sich (und sie zählen sie mit der Geschwindigkeit einer Zählmaschine). Der Mann hier trug ein ähnlich dickes Bündel im Hosensack herum, allerdings nicht aus Rial-, sondern 100er Euro- und Dollarnoten. Bei ihnen könnten Käufer übrigens selbstverständlich auch mit Kreditkarten bezahlen, beantwortete er die entsprechende Frage. Transaktionen dieser Art würden sie über eine Bank in den arabischen Emiraten abwickeln.

An diesem Tag nahmen wir wie vereinbart ein weiteres Mal Kontakt auf mit der Schweizer Botschaft, um über unser Befinden zu berichten. Nicht nur wir konnten Positives übermitteln; Herr Henzen teilte mit, dass Velos und Gepäck aus Hamadan bereits eingetroffen seien. Unser Gepäcksack stehe in seinem Büro. – Sicherer lässt sich Gepäck nicht zwischenlagern.