Yazd
Die Stadt am Rand der grossen Wüsten
Dienstag, 23. SeptemberEs gibt Tage, wo das Herz beständig eine Spur schneller schlägtals eigentlich nötig und die Zeit schier stillsteht. Man erlebt dann so intensiv, dass das Geschehen sich unmittelbar ins Langzeitgedächtnis einzudrücken scheint. Im Iran hatten wir solche Tage regelmässig. Was sich nicht nur daran zeigte, dass abends viel Zeit fürs Tagebuch- und Tagesberichtschreiben aufzuwenden war, sondern auch jetzt, beim Verfassen des ausführlichen Reiseberichts, sichtbar wird, dass nämlich die zeitliche Distanz kaum vorhanden zu sein scheint. Die Bilder sind – wie nach einem Klick im Internet – nach zwei, drei Augenblicken da und laufen als detailgenauer Film ab. Der 23. September 2003 war kein solch intensiver Tag; es ereignete sich wenig, was hätte haften bleiben müssen. Wir verliessen an diesem Dienstag Kerman und trafen nach einer 400-km-Busfahrt durch die Wüste am späteren Nachmittag in Yazd ein.
Von der Fahrt blieben einige wenige Eindrücke haften, z.B. dass die Strecke v.a. aus Geraden besteht, die eine davon 100 km lang ist, und dass wir uns trotzdem nicht langweilten. Vorne im Bus führten Fahrer und Beifahrer fast während der ganzen Zeit intensive und von Gelächter begleitete Debatten. (Auch an Schlafen war also nicht zu denken.) – Und an diesem Tag gab’s wieder eine Polizeikontrolle, aber sie war harmlos, obwohl nur wir beide die Aufmerksamkeit der Beamten beanspruchten. Wir mussten den Bus verlassen, und erst schien es, als ob wir auch noch den Inhalt der Rucksäcke zeigen müssten. Nachdem der Uniformierte die Pässe begutachtet und uns äusserlich inspiziert hatte, durften wir aber wieder einsteigen.
Nach Rafsanjan, dem Herkunftsort des früheren Staatspräsidenten Rafsanjani, änderte sich die Charakteristik der Landschaft. Nicht mehr Wüste rechts und links, sondern eine riesige Pistazienplantage, sicherlich mehrere qkm gross. (Tatsächlich produziert kein Land mehr Pistazien als der Iran, aber bis jetzt waren wir durch keines der Anbaugebiete gefahren.) Ab hier hatten fast alle zusteigenden Passagiere Plastiktüten voller Pistazien bei sich. Es war Erntezeit. Auch wir bekamen sie Hände voll gereicht. Auch die frischen Pistazien, stellten wir fest, munden ausgezeichnet. Wir hatten aber ein Handikap: Den Kern herauszubekommen gelang uns nicht mit derselben Leichtigkeit wie den Iranern, wir konnten gar nicht so viele essen, wie sie uns anboten.
Was die Unterkunft betraf, so stellten wir uns darauf ein, nicht mehr den Komfort zu haben wie im Akhavan Hotel in Kerman. In Hamadan hatte uns ein Australier auf ein Hotel in Yazd aufmerksam gemacht, auf das Malek-é Tojal mitten im Basar; es sei ein atmosphärisch besonderes Haus mit viel Tradition und moderaten Zimmerpreisen. Wir fuhren mit dem Taxi zum Basareingang, gingen durch fast leere Gassen und fanden die restaurierte ehemalige Karawanserei recht bald. Bescheidener Komfort, saubere, aber dunkle Zimmer – zu einem Preis allerdings, der dreimal so hoch war, wie der Australier angegeben hatte. Ob es daran lag, dass sonst keine Gäste da waren und wir für die kalkulierten Einkünfte sorgen sollten? Wir hatten Zeit und auch noch Energie genug, uns in einem anderen Hotel umzusehen. Als Alternative erwies sich das Amir Chaqmaq, ein Haus mit zwar bloss bescheidener Infrastruktur, aber mit ordentlich sauberen Zimmern, brauchbarer Dusche und einer Internetverbindung. Bevor wir hinfanden, beanspruchten wir die Hilfe eines Einheimischen; wir waren zuerst in die falsche Richtung gelaufen und fragten dann Leute nach dem Hotel. Ein älterer Mann liess es sich nicht nehmen, uns die ganze Strecke bis zum Amir Chaqmaq zu begleiten, immerhin mehr als einen Kilometer. – Den Namen hat das kleine Hotel vom berühmten Tekiyeh Amir Chaqmaq gleich gegenüber. Das ist eine dreistöckige Fassade mit zwei Minaretten, eine Art Portalbau an der Stirnseite eines grossen Platzes mit gleichem Namen. Ein immer wieder abgebildetes und darum im Iran ziemlich bekanntes Bauwerk. Wenn wir gleich neben diesem prächtigen Arkadenbau wohnen konnten, nahmen wir den bescheidenen Komfort im Hotel gerne in Kauf.
Die Provinzhauptstadt Yazd mit ihren 400 000 Einwohnern liegt am westlichen Rand der beiden grossen iranischen Wüsten, zwischen der Salzwüste Kavir im Norden und der Sandwüste Lut im Süden. In einem flachen Tal auf eher tiefen 1300 m gelegen, ist sie von Höhenzügen umgeben. Wegen des heissen Wüstenklimas sind viele Werkstätten der traditionellen Seiden- und Brokathersteller unterirdisch angelegt. Das Wasser wird über Qanate aus dem 60 km entfernten Shirkuh-Gebirge herangeführt; es fliesst so reichlich, dass auch ausgedehnte landwirtschaftliche Anbaugebiete bewässert werden können.
Qanate sind 15 – 20 m unter der Oberfläche verlaufende Wassertunnels. Sie wurden gegraben, indem man alle 50 m einen Schacht senkrecht in den Boden grub und von da aus den Tunnel horizontal vorantrieb. Die Kanäle sind etwa 1 m breit und so hoch, dass ein Erwachsener darin aufrecht stehen kann. Durch sie wird das Wasser aus den Bergen in die Städte geleitet. Es fliesst also von selbst, bleibt zudem sauber und verdunstet auf der langen Strecke nicht. Man schätzt, dass die heute noch existierenden 20 000 Qanate aneinander gefügt 125 000 km lang wären. Die mit 70 km längsten befinden sich in Yazd und Kerman. Auf der Fahrt hierher konnten wir den Verlauf einzelner Qanate an den oberirdischen übergrossen ‚Maulwurfshügeln’ erkennen. Diese entstanden rund um die Einstiegsschächte, häufte man doch das Aushubmaterial, das in Körben an die Oberfläche gehievt wurde, rings um diese Öffnungen an. Die Zugangsschächte werden auch nach dem Bau noch gebraucht. Sie dienen der Belüftung und dem Unterhalt der Tunnels. Regelmässig muss der Schlamm entfernt werden, und oft sind nach Erdbeben eingestürzte Tunnelabschnitte durch bypassähnliche Überbrückungen zu ersetzen. Die gut 3000 Jahre alte Technik wurde in Azarbaidjan erstmals angewandt, dann zunächst von den Assyrern und Achämeniden, später von den Arabern, Indern und Chinesen übernommen.
Yazds Entstehungszeit ist nicht bekannt; sicher ist, dass die Stadt zur Zeit des Sasanidenherrschers Yazdgerd I. schon längst ein bedeutendes Zentrum des zoroastrischen Glauben war, von diesem also nicht gegründet worden sein kann. Der Beiname Zendan-é Iksandar, Alexanders Gefängnis, verweist auf eine ungesicherte Entstehungsgeschichte. Nach der soll Alexander der Grosse hier achämenidische Gefangene festgehalten haben. Nach seinem Abzug hätten Wächter und Gefangene gemeinsam die Stadt erbaut.
Typisch für die Wüstenstadt sind die Lehmziegelbauten und die über sie hinausragenden Badgirs, die Windtürme. Um das Wasser zu kühlen, wurden auch die Zisternen damit versehen. Ein Grossteil der historischen Altstadt Yazds ist erhalten geblieben. Dort beeindrucken u.a. die geometrischen Ziegelmuster, die über die engen Gassen gespannten Verstärkungsbögen und die geschnitzten Eingangstüren der Wohnhäuser. Über den Iran hinaus berühmt geworden sind aber die beiden grossen zoroastrischen Bestattungstürme ausserhalb der Stadt, die »Türme des Schweigens«.
Wir wären nach Yazd auch mit den Velos gefahren. (Die Radroute hätte von Hamadan aus nach Esfahan, Yazd und dann nach Shiraz geführt.) Bei der Vorbereitung hatten wir Bilder von der Stadt angeschaut und dabei festgestellt, welche Faszination für uns schon da z.B. von der zoroastrischen Bestattungsstätte ausging. Aber auch das über Yazd Gelesene hatte neugierig gemacht: dass die alte Wüstenstadt von jeher multi-religiös war (ähnlich wie das alte Bam) und einiges von diesem Erbe bis heute bewahrt hat. Seit über 1300 Jahren lebt hier die grösste zoroastrische Gemeinde. Im Gegensatz zum 500 km weiter nordwestlich gelegenen Qom, der Hochburg der schiitischen Geistlichkeit, steht Yazd für religiöse Toleranz. Während wir darum Qom aus dem Reiseplan strichen (was uns auch im Iran selbst mehrmals nahegelegt wurde), wollten wir die Stadt am Rand der grossen Wüsten unbedingt kennen lernen.
Der Zoroastrismus
Mittwoch, 24. SeptemberBei den Felsreliefs in Taq-é Bostan (siehe Bericht vom 13. September) waren wir aufmerksam geworden auf die Götterabbilder. Bei der Amtseinsetzung sasanidischer Könige werden Ahura Mazda, Mithras und die Göttin Anahita als Hauptakteure dargestellt. Zweimal sieht man, wie Ahura Mazda (einmal gemeinsam mit Anahita) dem König die Ringe der Macht überreicht. Es sind zoroastrische Gottheiten, welche die (politische) Funktion haben, die Königsherrschaft zu legitimieren. Bereits die Achämenidenkönige berufen sich seit Darius I. um 500 v.Chr. auf den Gott Ahura Mazda und ab Artaxerxes II. etwa 100 Jahre später zusätzlich auf Mithras und Anahita. Auch nach altpersischen Königsinschriften gipfelt Ahura Mazdas Tun darin, den jeweiligen Grosskönig als legitimen Herrscher einzusetzen.
Die im Iran bis heute praktizierte Koppelung von Staat und Religion, die erstaunlichen Parallelen des Zoroastrismus zur späteren christlichen Lehre, aber auch die bis in die Gegenwart hinein praktizierte ungewöhnliche Art der Totenbestattung waren Gründe genug, sich mit dem Zoroastrismus auseinander zu setzen. Und wo ergab sich ein natürlicherer Anlass dazu als in Yazd; hier lebt die grösste und wohl auch älteste zoroastrische Gemeinde Irans. (Man nimmt an, dass in Yazd ungefähr 30 000 von den 150 000 Zoroastrier, die es weltweit gibt, leben.) Seit mehr als 1300 Jahren ist das Feuer im hiesigen Feuertempel nicht verlöscht, und bis 1970 wurden die Verstorbenen in den »Türmen des Schweigens« bestattet.
Der Zoroastrismus ist eine Religion mit einer wahrscheinlich mehr als 3000-jährigen Geschichte; als Ursprungsort wird das afghanische Mazar-é Sharif vermutet. Er ist auch die älteste Konfession, die im Iran bis heute praktiziert wird. Der Ausdruck ‚Zoroastrismus’ geht auf ‚Zoroaster’, die griechische Form des altiranischen Personennamens Zarathustra zurück. Er wird in den ältesten Texten der religiösen Tradition der Zoroastrier, den sog. Gathas (Gesänge), erstmals erwähnt. Daran anknüpfend, bezeichnen sich auch die Mitglieder dieser Religion heute meist als ‚Zoroastrier’, in Indien auch als ‚Parsi’ (Perser).
Die Gathas bilden den ältesten Teil der ‚Avesta’ genannten altiranischen Ritualtexte der Zoroastrier. (Drei Viertel davon sind bei den Eroberungszügen der Griechen, Araber und Mongolen verloren gegangen.) Diese Texte wurden erstmals in der Sasanidenzeit mit Hilfe der speziell dafür entwickelten avestischen Schrift notiert; sie spiegeln die Welt einer im Osten Irans lebenden religiösen Gemeinschaft wider, die ihre Umwelt als Gefährdung empfand und diesen Gegensatz von Gruppenverband und Außenwelt in die Bildsprache eines religiös fundierten Gut-Böse-Dualismus kleidete. Zwei göttliche Wesen, der gute bzw. wohltätige Geist und der böse Geist, hätten sich grundsätzlich für entweder die besseren oder schlechteren Gedanken, Worte und Taten entschieden. Entsprechend träfen auch die Menschen eine Entscheidung zwischen Gutem und Bösem, zwischen ‚Asha’ (Wahrheit, Harmonie, Ordnung) und ‚Drug’ (Lüge, Unordnung). Daher gehörten die Menschen entweder der Gruppe der ‚Asha-Ausüber’ (ashavan) oder der Gruppe der ‚Drug-Ausüber’ (dregvant) an. Natürlich verstehen sich die Mitglieder der Gatha-Gemeinschaft als die Guten. Sie geben sich überzeugt, dass der überragende Schöpfergott Ahura Mazda (Weiser Herr), der die Welt als einen für Viehzüchter wohlgeordneten Lebensraum eingerichtet habe, auf ihrer Seite stehe und ihnen letztlich zum Sieg über die ‚Drug-Ausüber’ verhelfen werde. Neben Ahura Mazda und den beiden Hauptdarstellern der dualistischen Entscheidung finden sich in den Gathas noch einige weitere Gottheiten. Die bedeutendsten sind Asha (gutes Denken), Armaiti (Achtung, Rechtgesinntheit) und Chshathra (Herrschaft); zusammen mit den ‚Asha ausübenden’ Menschen fechten sie den Kampf gegen die Dämonen der bösen Seite aus.
Bis in nachachämenidische Zeit wurden die Gesänge modifiziert und systematisiert. Ahura Mazda erscheint nun in der Funktion des guten Geistes als Widersacher des bösen Gegenschöpfers Angra Mainyu, was sich unmittelbar in der Weltinterpretation niederschlägt. Neu in die Avesta kommen nun auch Hymnen, die sich an Gottheiten wie den Sonnengott und Vertragshüter Mithras oder die Wasser- und Fruchtbarkeitsgöttin Anahita wenden. Die Entstehung detaillierter Ritual- und Reinheitsvorschriften führt zu Differenzierungen innerhalb der zoroastrischen Gemeinschaft. Die Mitglieder der Gruppe müssen die Zugehörigkeit zu den ‚Asha-Ausübern’ durch die Befolgung strikter ritueller Verhaltensregeln ausweisen. Je nachdem, wie sich der Mensch entschieden hat, kommt er nach dem Tod in die seligen Gefilde des Paradieses oder an den schlechtesten Ort, in die Hölle. Der Kampf zwischen Gut und Böse dauert vier Perioden zu jeweils 3000 Jahren. Am Ende steht das Reich von Ahura Mazda. Wenn die Welt untergeht, wird ein Jüngstes Gericht stattfinden; es wird die Bösen bestrafen und die Guten belohnen. Der böse Geist wird verschwinden und eine neues, ewiges Reich des Guten entstehen. (Wann es zur Ausbildung der zoroastrischen Apokalyptik kam, ob bereits zur Zeit der Seleukiden oder erst nach dem Zusammenbruch des Sasanidenreiches, ist bisher ungeklärt.) (Quelle: Website des Institutes für Religionswissenschaft der Universität Heidelberg.)
Die reinen Elemente Feuer, Erde, Wasser und Luft werden im Zoroastrismus als heilig angesehen und müssen vor Verunreinigung geschützt werden. Dem Feuer kommt als Symbol des Guten, des Lichts und der Reinheit eine besondere Bedeutung zu. Wegen ihrer Verehrung des Feuers werden die Zoroastrier auch Feueranbeter genannt. Das Feuer in den Tempeln muss ständig unterhalten werden und darf nicht verlöschen. (Es ist ein Feuer, das mit trockenem, langsam brennenden Holz, z.B. vom Aprikosenbaum, unterhalten wird.) – Aus der Pflicht, die vier Elemente rein zu erhalten, ergibt sich der besondere Totenkult der Zoroastrier. Weil Leichen als unrein gelten, dürfen sie weder in Erde und Wasser bestattet noch verbrannt werden. Man setzte sie nach umfangreichen kultischen Zeremonien auf Türmen weit ausserhalb der Dörfer oder Städte den Geiern aus. Nachdem diese das Fleisch von den Knochen genagt hatten, sammelten Priester die Gebeine ein, versiegelten sie mit Wachs (machten sie also ‚rein’) und legten sie in kleine Felshöhlungen oder in Totenhäuser. So gelangten die Körper wieder unter die Tier- und Pflanzenwelt, ohne dass die Erde dabei verunreinigt wurde. Heute gibt es diese Art der Bestattung nicht mehr, sie wurde 1970 vom letzten Shah verboten. (Angeblich sollen die Geier Leichenteile über Siedlungen fallen gelassen haben.) Seither müssen auch die Zoroastrier die Toten in der Erde bestatten. Um dem Gebot des Schutzes der Erde vor Verunreinigung trotzdem zu genügen, werden die Verstorbenen in Betonwannen beigesetzt.
Wir besuchten heute die Türme des Schweigens. Lagen sie früher weit ausserhalb der Stadt, sind die neuen Quartiere von Yazd inzwischen bis auf 500 m an sie herangerückt. Auf zwei einander gegenüberliegenden Hügeln erheben sich zwei turmartige Anlagen, eine für die weiblichen, eine für die männlichen Verstorbenen. Es sind lehmverputzte, dicke Rundmauern aus Bruchsteinen. An ihren Fuss gelangt man über einen steilen, aber breiten Weg; in ihr Inneres führt eine nur sehr kleine Maueröffnung. Der runde, leere Platz mit einem Durchmesser von vielleicht 30 m weist in der Mitte eine Vertiefung auf. Da hinein legte man früher die Toten in sitzender Stellung. Ein Priester blieb im Innern und versuchte aus dem Fressgebaren der Geier zu erkennen, ob den Toten das Paradies oder die Hölle erwartete. Wurde zuerst das rechte Auge ausgehackt, stand es gut um dessen Zukunft; war es zuerst das linke, bedeutete das die Hölle.
Ein Taxi hatte uns hierher gefahren. Da wir vorerst die einzigen Besucher waren, konnten wir etwas spüren von der beeindruckenden Atmosphäre der Kultstätte. (Die früheren Bilder – siehe Bericht vom Vortag – hatten uns nicht getäuscht.) Die Stille des Ortes machte dem Namen alle Ehre. – In der Ebene vor den Hügeln befinden sich die Ruinen der Totenhäuser, wo die ‚reinen’ Knochen schliesslich aufbewahrt wurden. Auch eine Zisterne mit zwei Windtürmen ist noch da. Wasser wird es darin kaum mehr geben, aber der gute Zustand der Kuppel und der beiden Badgirs zeigt, wie sorgfältig hier immer wieder restauriert wird. Kaum 100 m entfernt befindet sich der Friedhof, auf dem die Zoroastrier heute ihre Toten bestatten.
Die Stille wurde bald und nachhaltig gestört. Wir hatten uns beim Aufstieg schon gefragt, welchen Zweck die steilen Strässchen haben, die in gerader Linie die Hügel hinaufführen. Die Antwort lieferten lärmende Motorräder; junge Iraner – zweifellos keine Zoroastrier! – benützen die steilen Rampen zum Motocrossfahren. Weil sie das mit gewöhnlichen 125er-Strassentöffs tun, schaffen sie es, wenn überhaupt, nur mit Vollgas und viel Anlauf bis nach oben. Aus dem früheren Bestattungsort machen sie auf diese Weise Türme des Lärms. (Ihre einzige ‚Leistung’ besteht darin, den Hügel wieder runterzukommen; das schaffen sie mehr rutschend als fahrend.)
In Yazd gibt’s mehrere Basare, aber wir standen wegen eines Feiertags vor geschlossenen Läden, konnten also die Waren, für die Yazd berühmt ist (Seide, Brokat, Glaswaren, Kleider) weder anschauen noch etwas kaufen. Am Nachmittag besuchten wir den Bagh-é Dowlatabad, einen grossen Garten mit Repräsentativbauten aus dem 18. Jh. Wie üblich machten wir den langen Weg zu Fuss. Vor dem Eingang setzten wir uns dann zuerst hin, um uns aus dem Reisehandbuch genauer über die Besonderheiten des Gartens kundig zu machen. Während wir lasen, trat der Mann, der den Eingangsbereich überwachte, zu uns heran und forderte uns mit einladender Geste auf, das Innere des ummauerten Geländes zu betreten. Eintrittskarten bräuchten wir nicht zu kaufen.
Verwöhnt, wie wir seit Esfahan waren, konnten wir dem Garten wenig abgewinnen. Wir begaben uns darum direkt zum Hauptgebäude, einem zweistöckigen Empfangspalast. Vor uns hatten wir ein weiteres Beispiel für die luftige, helle Profanarchitektur Irans. In der Mitte des sechseckigen achsensymmetrischen Palais befindet sich eine Halle mit einer wunderschönen Lichtkuppel. Deren Innenseite ist derart in feine Linien aufgelöst, dass man unter einer schwebenden filigranen Hülle zu stehen meint. Dieser Eindruck wird verstärkt durch einem frischen Luftzug, dem man ausgesetzt ist, sobald man das Gebäude betritt. Er strömt aus dem höchsten Windturm herunter, der im Iran je gebaut wurde. 38 m steigt Luft durch die acht Schächte des Badgirs ab, bevor sie in den Räumen für eine wohltemperierte Frische sorgt, für eine Raumqualität, wie sie von einer Klimaanlage nicht hervorgebracht werden könnte.
Mit dem Rückmarsch durch die verwinkelten Gassen neigte sich der Aufenthalt in Yazd schon wieder seinem Ende zu. Vor dem Besuch des Bagh-é Dowlatabad hatten wir bereits die Plätze im morgigen Bus nach Shiraz reservieren lassen. Eine letzte und lange Busfahrt stand uns bevor.