Die Passage zwischen den Ozeanen

23. January, 2012

Der Sonntag war ein Faulenzertag. In der enormen tropischen Hitze hat man einfach nicht wahnsinnig viel Energie! So beschränkten wir uns auf die Besichtigung des ehemaligen spanischen Forts auf der Spitze des Hügels. Dabei erfuhren wir einiges über die frühe Besiedelung durch indigene Gruppen und die spätere durch die Spanier.

El Castillo: Nomen est Omen.
El Castillo: Nomen est Omen.

 Um 1300 vor Christus wurde das Gebiet um den Rio San Juan wahrscheinlich erstmals besiedelt. (Die Besiedelungsgeschichte Mittelamerikas ist viel älter: Zirka 10000 Jahre.) Der Siedelungsdruck auf die Nicoya-Halbinsel trieb die Stämme hierher. Im 16. Jahrhundert kamen die Spanier von den von ihnen gegründeten Städten Léon und Granada aus über den See und entdeckten den Ausfluss in den Atlantik. Die Idee lag nicht fern, hier die Landenge zwischen dem Pazifik und dem Atlantik mit Schiffen zu durchqueren. Diverse Forschungsexpeditionen kamen zum Schluss, dies sei technisch nicht realisierbar, was vor allem am Höhenunterschied von 41 Metern zwischen dem See und dem Pazifik lag. Übrigens entdeckte man dabei auch den Höhenunterschied zwischen dem Pazifik und dem Atlantik – 2.7 Meter!

Den Rio San Juan von der Karibik her mit Schiffen zu befahren, gelang erst 1666 englischen Piraten, welche darauf die spanischen Städte auf der anderen Seeseite plünderten und niederbrannten. In der Folge legten die Spanier entlang dem Fluss 12 Forts an, wovon sich eines in San Carlos befindet.

Das Gebiet von Mittelamerika hat 1821 die Unabhängigkeit von der spanischen Krone erklärt. Das wurde auch möglich, weil Spanien wegen der Auseinandersetzung mit Napoleon seine Herrschaft nicht mehr nachhaltig sichern konnte.

Die Idee vom Wasserweg wurde nach wie vor nicht begraben. Zur Zeit des kalifornischen Goldrausches wollte man so rasch wie möglich Menschen und Güter von New York nach San Francisco bringen. An Kuba vorbei gelangte man an die Mündung des Rio San Juan, verlud die Waren auf kleinere Dampfer, die weiter den Fluss hinauf und über den Nicaraguasee fuhren und transportierte sie schliesslich auf dem Landweg auf Postkutschen an den Pazifik. Für diese Strecke benötigte man 36 Tage.

Nach dem Bau des Panamakanals zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde natürlich dieser Wasserweg für die Hochseeschiffahrt nicht mehr in Betracht gezogen. Trotzdem sicherten sich die Amerikaner 1914 die Alleinrechte zu dessen Schiffbarmachung für eine Summe von 3 Millionen Dollar. Sie befürchteten wohl, dass hier ein Konkurrenzkanal entstehen könnte.

Heute befahren wir diesen legendären Rio San Juan von San Carlos bis El Castillo und zurück. Für die Strecke von ungefähr 150 Kilometern sind wir sechseinhalb Stunden auf dem Wasser. Damit wir überhaupt einen Platz auf dem Boot kriegen, kaufen wir unser Ticket kurz vor 6 Uhr. Als das Boot um 8 Uhr losfährt, ist jeder Platz besetzt. Bei kleinen Dörfern und einzelnen Bauernhöfen hält der Kapitän kurz, um Leute aus- oder einsteigen zu lassen. Wir machen interessante Beobachtungen: Auf jemanden wartet am Ufer schon das gesattelte Pferdchen. Andere verschwinden, nachdem sie das Boot verlassen haben, in ihren Gummistiefeln in den Urwald. Oder eine weitere Situation: Eine modisch gekleidete junge Frau mit Trägertop und Sandaletten besteigt das Boot bei einem vor Anker liegenden Einbaum. Hier scheinen sich Jahrhunderte zu kreuzen!

Erstaunlicherweise passieren wir auch eine Grossbaustelle. Entgegen unseres früheren Berichtes wird der Rio San Juan hier tatsächlich überbrückt! Der Fluss ist übrigens etwa viermal so breit wie die Reuss. Er führt enorme Wassermengen in den Atlantik.

Pura Vida!
Pura Vida!

 Obwohl das Dörfchen El Castillo nur auf dem Fluss zu erreichen ist, weist es einiges an Infrastruktur auf: Grundbedürfnisse der Bevölkerung, touristische Einrichtungen. Und eine Relique von Papst Johannes Paul dem Zweiten.  Es ist sogar ein Informationszentrum im Bau, dafür werden erstaunliche 1.6 Millionen Cordoba (60000 Franken) aufgewendet. Im bestehenden Museum neben der spanischen Festung bekommen wir noch detailliertere Informationen über die Geschichte dieses Wasserweges. Die Qualität der Präsentation erreicht durchaus europäischen Standard. Jetzt erfahren wir auch, wie man damals die Stromschnellen bezwungen hat: Auf einer 300 Meter langen Eisenbahnstrecke, bevor es auf den kleinen Damfern weiterging!

Als wir auf einer Terrasse, die direkt über den Stromschnellen des Flusses gebaut ist, ein Cafe con leche trinken (Milch im Kännchen, weisses Tischtuch), erinnert sich Gerold an den ältesten Leuchtturm an der US-amerikanischen Pazifikküste.Die aus Paris stammende Optik wurde damals (Mitte 19. Jh.) hier durchtransportiert – schon gestern hatten wir ein Déjà Vu: Der rasende Kapitän von Los Chiles winkt uns zu, als wir ein Restaurant betreten. Wir stossen mit ihm an und holen das gemeinsame Foto nach.

Der Schalk ist ihm ins Gesicht geschrieben.
Der Schalk ist ihm ins Gesicht geschrieben.