Von Sost bis Gilgit und zurück nach Rawalpindi

2. Juni 1999

Passu

Auf der Fahrt von Gilgit über den Khunjerab-Pass nach Kashgar war besonders die Überquerung des Passes das unberechenbare Abenteuer gewesen. Darum hatte ich von Etappe zu Etappe nur Übernachtungshalte gemacht und war auch nie vom KKH abgewichen. Das wollte ich auf der Rückreise ändern, vor allem auch, weil mir bis zum Heimflug genügend Zeit blieb. Ich trug mich auch mit dem Gedanken, einen Abstecher nach dem von Pakistan kontrollierten Teil Kaschmirs zu machen. Dafür würde ich knapp eine Woche brauchen, und soviel Zeit hatte ich. Allerdings war mir noch nicht klar, wie es um den wenige Tage zuvor ausgebrochenen bewaffneten Konflikt zwischen Pakistan und Indien stand. Bisher hatte ich nur in Kashgar über die Mail von Margrit darüber Kenntnis erhalten. (Das sollte sich bald ändern, aber davon später.)

In Passu (2600 m ü. M.), wo wir am 2. Juni nach bloss 40 km Fahrt eintrafen, planten wir für den Nachmittag eine Wanderung. Wir wollten auf einer Hängebrücke den Hunza River überqueren, auf dem Gegenhang zu Siedlungen hochsteigen, um schliesslich noch weiter oben einen Blick auf den Passugletscher zu werfen.[1]

Passugletscher (24 km lang) mit dem 7611m hohen Berg Shispare.
Passugletscher (24 km lang) mit dem 7611m hohen Berg Shispare.
Quelle: Raki_Man, CC BY 3.0

Als Unterkunft hatte wir das Batura Inn gewählt, ein kleines Hotel in Flussnähe mit einer schönen Gartenanlage. Wir hatten zuvor schon einen Kilometer weiter talabwärts ein Hotel angeschaut. Es hatte uns nicht gefallen.

In Pakistan mussten uns wieder an frugale Kost gewöhnen. Zumindest bis Karimabad. Nach den kulinarischen Höhenflügen bewegten wir uns diesbezüglich wieder auf der Ebene des Hunza River. So hatte das eher lieblos zubereitete Mittagessen aus Suppe, Reis, Kartoffeln und etwas Gemüse bestanden. Aber hungrig, wie ich war, schätzte ich warmes Essen. Allerdings ergänzte ich den Notvorrat vorsichtshalber um ein halbes Pfund Milchpulver. Das Milchkaffee-Pulver von zu Hause war aufgebraucht. Ich hatte noch etwas Trockenfleisch, wenig tibetisches Getreide und Bouillonwürfel. Bis nach Gilgit würde ich mich unterwegs zwischenverpflegen können.

Um halb drei brachen wir zur Wanderung auf. Nachdem wir über Stock und Stein und durch Gestrüpp mehr gestolpert als gegangen waren, standen wir vor der Hängebrücke.

Hängebrücke über den Hunza-River in Passu.
Hängebrücke über den Hunza-River in Passu.

Der Hunza River ist hier ungefähr 300 m breit. Wer über die Brücke geht, tut das nicht auf Bodenbrettern, sondern auf armdicken Prügeln, die im Abstand von einem halben Meter auf dem Tragseil befestigt sind. Das stellte uns schon mal auf die Probe.1 Da uns Tragseile und Holz stabil dünkten, vertrauten wir uns der Konstruktion an. Ohne mulmiges Gefühl ging das nicht, denn sowohl wir als auch starker Wind versetzten die Brücke in horizontale und vertikale Bewegung. Wenn man aufs Wasser hinunterschaute, wurde es einem schwindlig; man meinte, die Brücke bewege sich flussaufwärts. Spätestens ab der Mitte machte es keinen Sinn mehr umzukehren. Das jenseitige Ufer kam mit jedem Schritt näher. Wir standen alle drei bald wieder auf festem Boden und atmeten auf. Die Passage würde uns in Erinnerung bleiben. (Was ich 20 Jahre später bestätigen kann.)

Wie sollte es nun weitergehen? Einen Fussweg gab es nicht. Nachdem wir zuerst dem Flusslauf gefolgt waren, begannen wir uns die Geröllhalde hochzuarbeiten. Vielleicht würden wir weiter oben auf einen Weg stossen. Das war für mich, wie ich später ins Tagebuch schrieb, ein «stupider Kraftverschleiss». Darum kehrte ich um und liess die beiden Briten allein weitergehen. Nachdem ich die Brücke erneut passierte hatte, stiess ich auf einen schlafenden Fuchs. Er sprang auf, lief einige Zeit vor mir her und verschwand dann zwischen den Büschen. Das blieb auf der ganzen Reise die einzige Begegnung mit einem Wildtier.

Hängebrücken gibt’s auch für Motorfahrzeuge.
Hängebrücken gibt’s auch für Motorfahrzeuge.

Wieder zurück im Hotel, überlegte ich, was ich bis nach Gilgit noch unternehmen wollte. Nach Trekking der eben beschriebenen Art hatte ich jedenfalls keine Lust. Die karge Landschaft zu durchstreifen dünkte mich an sich durchaus faszinierend, aber nicht in einer Gruppe. Der Schotte und der Engländer waren fröhliche Gesellen, aber mir stand der Sinn mehr nach stillem Schauen. Ins Tagebuch schrieb ich am 2. Juni: «Ich habe das Bedürfnis nach meinem eigenen Rhythmus, will den Gedanken nachhängen können, lesen, schreiben und mit Einheimischen ins Gespräch kommen.» (Letzteres war, so meine Erfahrung, viel einfacher, wenn ich allein unterwegs war.)

Betonbrücke des von Chinesen gebauten KKH.
Betonbrücke des von Chinesen gebauten KKH.

Karimabad (3. bis 5. Juni)

Am frühen Vormittag des folgenden Tages war ich zurück im Haider Inn. Um sechs Uhr in Passu gestartet (ich hatte mich am Vorabend von den Briten verabschiedet), erreichte ich zweieinhalb Stunden später Karimabad. Kurz zuvor hatte ich es während einiger Kilometer sausen lassen können. Dass ich zwei Wochen früher diesen Streckenabschnitt problemlos hochgefahren war, erstaunte mich. Und zwar umso mehr, als ich jetzt schon bei harmlosen Anstiegen aus dem Sattel ging. Nicht weil ich müde war, sondern der Sitzbeschwerden wegen. Das Fahren konnte ich nicht geniessen, obwohl ich bis Gilgit stetig Höhe abbaute. Deshalb freute ich mich darauf, in Karimabad mindestens zwei Tage zu verweilen.

Mit Herrn Heider kam’s zu einem herzlichen Wiedersehen. Ich richtete mich auch diesmal in einem Dreierzimmer ein, wusch einige Kleidungsstücke und hängte sie auf der Dachterrasse an die Wäscheleine. Nach dem Mittagessen unternahm ich einen längeren Spaziergang durchs Dorf. Dass in Karimabad schon einiges an Modernität Einzug gehalten hatte, zeigte der Umstand, dass man in verschiedenen Geschäften mit Kreditkarten bezahlen konnte. Das war Folge der touristischen Erschliessung des Ortes. In den Gassen waren denn auch fast mehr Touristen als Einheimische unterwegs. Nur in Kashgar war ich ähnlich vielen Fremden begegnet. Allerdings hatten sie sich auf ein grösseres Gebiet verteilt, während sich hier alle durch den Basar bewegten.

Auf dem Rückweg zum Hotel kaufte ich Ansichtskarten und Früchte, vor allem getrocknete Aprikosen. Besondere Aufmerksamkeit schenkte ich indes den Auslagen der (Edel)Steinhändler. Bei einem älteren Mann begutachtete ich einen Stein mit einem Rubin drin, bei anderen Anbietern Lapislazuli, in Silber gefasste Steine und Halsketten. Nach etwas Feilschen wurden die Preise für je einzelne Stücke auf ungefähr zehn Dollar gesenkt. Noch kaufte ich aber nichts, denn es fiel mir schwer, mich für oder gegen eines zu entscheiden. Auch wollte ich vorher meine Frau fragen, was ihr am besten gefiele. Ein Anruf nach Hause war ohnehin mein dringendster Wunsch an diesem Tag. Die nächste Adresse nach dem Rumstöbern bei den Schmuckhändlern war denn auch die «Telefon Exchange». Ein Anruf in die Schweiz koste 140 Rial die Minute, meinte der Betreiber. Das schien keinem festen Tarif zu entsprechen, eher der Versuch zu sein, mir einen möglichst hohen Betrag abzuknöpfen. Entsprechend reagierte ich, worauf es plötzlich möglich war, die Verbindung für 100 Rial zu bekommen. Ob man von der Schweiz aus auch hierher telefonieren könne, fragte ich. Das sei kein Problem. Wenn dem so war, so meine Überlegung, würde ich mit meiner Familie länger als zwei, drei Minuten telefonieren können. Andernfalls musste ich damit rechnen, am Ende übers Ohr gehauen zu werden. Es blieb bei der Hoffnung. Als ich abends wieder herkam – wegen der Zeitverschiebung von drei Stunden war in der Schweiz nun Vorabend –, bekam ich tatsächlich eine Verbindung; ich konnte mit Manuel sprechen, ihm das Wichtigste mitteilen und ihn dasselbe tun lassen. Auf den Rückruf wartete ich danach vergebens. – Die knapp zweiminütige Verbindung kostetet dann mich etwa soviel, wie ich später bei Haider für zwei Übernachtungen mit Frühstück und Diner bezahlte.

Auch den englischen Velofahrern begegnete ich in Karmiabad wieder. Sie brachten mir den Pullover mit, den ich Passu als Sitzunterlage benutzt und dann vergessen hatte. Zwar logierten sie nicht im gleichen Hotel, kamen aber auf meine Empfehlung hin zu Haider essen. An diesem Abend wurde als Vorspeise Suppe, als Hauptgericht Rinds-Ragout, Kohlgemüse, ein Linsengericht sowie Kartoffeln, ähnlich zubereitet wie Country fries, serviert. Zum Dessert wurden wir mit einer Bananencreme mit Maulbeeren überrascht. Alle am vollbesetzten, langen Tisch waren des Lobes voll.

Mister Haider und sein Gehilfe.
Mister Haider und sein Gehilfe.

Wie im Kapitel «Gastfreundschaft in Karimabad» erwähnt, ist der beliebte Wirt im Januar 2018 im Alter von 81 Jahren verstorben. Bis heute wird sein Gästehaus gerühmt (auch in der neuesten Ausgabe von «lonely planet»). Fotos im Internet lassen erkennen, dass das im Jahre 1998/99 erneuerte Hotel in jüngster Zeit ein weiteres Mal vergrössert wurde. Das beweist, dass Haiders Rechnung trotz oder gerade wegen seiner moderaten Preise aufging.

Die Erfahrungen, wie ich und andere sie im Haider Inn machten und offenbar bis heute machen, sind viel mehr als bloss Entschädigung für anderswo erfahrenes Ungemach. Sie sind prägend und bleiben über die Zeit hinaus in Erinnerung. Was ich im Gästehaus des menschenfreundlichen, grosszügigen Mannes erlebte, ist mir noch so gegenwärtig, als ob es erst Wochen zurückläge.

Nach dem Ruhe- respektive Flaniertag setzte ich mich entgegen der ursprünglichen Absicht doch wieder aufs Velo. Allerdings ohne Gepäck. Ich fuhr hinauf nach Uper Nagar, einem Dorf nahe der Hoper Gletscher. Einer der Gletscher fällt vom 7270 m hohen Diran-Gipfel bis nahe zum Dorf auf 2300 m herunter. (Um 1990 hatten Messungen ergeben, dass er sich täglich drei Meter talwärts bewegte.) Von Hunza aus erfolgten Jeep-Touren dorthin. Dass es nur eine Kiesstrasse gab, war einem Streit zwischen den Bewohnern der Dörfer Sumayar und Nagar zuzuschreiben.2 Es ging dabei unter anderem um Weiderechte. Darum hatte der Tourismus hier erst wenig Spuren hinterlassen. Allerdings hätten einzelne Nagaris gerne auch von Hunzas steigendem Tourismus-Wohlstand profitiert. Stattdessen machten Fahrer aus dem Tal das Geschäft.

Jeepstrasse nach Uper Nagar mit Blick auf den Ulter Peak (7388 m).
Jeepstrasse nach Uper Nagar mit Blick auf den Ulter Peak (7388 m).

Nach nur einem Tag Pause waren die Sitzbeschwerden noch da, aber auf den 25 km hinauf nach Nagar waren sie erträglich. Ohne Gepäcktaschen konnte ich wieder einmal wie befreit fahren. Im Dorf angekommen, zog ich unerwartet viel Aufmerksamkeit auf mich. Ich wurde von Kindern bedrängt, und es boten sich mir alle paar Meter junge Männer als Guides an. Das war unangenehm, so dass ich eine Teestube betrat, mich da bei einem warmen Getränk erholte, kurz danach wieder aufs Rad stieg und auf der staubigen Piste nach Karimabad zurückfuhr. Fast die ganze Strecke fuhr ich auf den Pedalen stehend; die Schläge über den Sattel aufs Gesäss waren zu übel.

Nachdem ich den Reiseführer nach weiteren Ausflugszielen durchgesehen hatte, war ich entschlossen, am nächsten Tag, einem Samstag, nach Minapin weiterzufahren, um am Sonntag von dort aus zum Rakaposhi Base-Camp hochzusteigen. Das Camp liegt 1600 m über dem Dorf. Die Tour schien mir in einem Tag machbar. Zuvor wollte ich von Karimabad aus einen Teil meines Gepäcks per Post nach Hause schicken. Höher hinauf als zu diesem Base-Camp würde ich nicht mehr wandern, die warmen Kleidungsstücke also nicht mehr brauchen. Das chinesische Teekännchen wollte ich ebenfalls auf dem Postweg befördern.

Haider meinte, das Postamt sei geschlossen, wir hätten ja Sonntag. Tatsächlich war Samstag. Dass ich an diesem Tag vom Postbeamten Auskunft bekam, was den Paketversand nach Europa betraf, belegen Ort und Datum, die der Mann mir ins Tagebuch stempelte: «KARIMABAD – 5 JUN 99». – Ein Paket nach Europa dürfe maximal 30 kg wiegen, erfuhr ich. Befördert werde es «by sea». Es werde aber wohl einen Monat dauern, bis es in der Schweiz eintreffe.

Eine robuste Schachtel bekam ich von Herrn Haider. Er half mir auch, das Paket zu verschnüren. Seine Empfehlung, auf dem Weg zur Post beim Teppichhändler vorbeizugehen, um die Kanten mit Klebeband verstärken zu lassen, befolgte ich. So brachte ich zu guter Letzt ein vermeintlich solides Paket zur Post. Das Porto betrug 617 Rial, umgerechnet 18 Franken. Nahezu ein ganzer Briefmarkenbogen klebte nun auf dem Paket oben drauf.

Das Paket war schliesslich lange unterwegs. Als es auch zwei Monate nach meiner Rückkehr in die Schweiz noch immer nicht eingetroffen war, hielt ich es für verloren. Ärgerlich war, dass ich auch belichtete Filme mitgeschickt hatte. Ein gutes halbes Jahr später jedoch, kurz vor der Jahrtausendwende, brachte der Pöstler etwas, das mehr einem zusammengeknüllten Karton als einem Paket glich. Aber das Bündel war grossflächig mit pakistanischen Briefmarken beklebt. Offensichtlich war der Inhalt unterwegs umgepackt worden. Der Karton mit den Marken hatte man obendrauf geklebt. Alles, was ich eingepackt hatte, war noch drin!

Nach einer halbjährigen Reise von der Post zugestellt.
Nach einer halbjährigen Reise von der Post zugestellt.

Zurück zum 5. Juni. Auf dem Rückweg zum Gästehaus betrat ich nochmals den Laden des alten Schmuckhändlers. Ich kaufte mir nun den im Stein eingebetteten Rubin, ein Schmuckkästchen aus Silber mit einem im Deckel eingelassenen Lapislazuli sowie eine kleine Quarzgruppe.

Am Samstagnachmittag verabschiedete ich mich von Herrn Haider. Er liess mich selber aufschreiben, was ich bei ihm an Dienstleistungen bezogen hatte, und notierte darunter den Gesamtbetrag: 245 Rial. Das entsprach sieben Franken! Ich sagte ihm, so wenig könne es nicht sein, er müsse sich irren. Er änderte jedoch nichts an der Summe. Am Tag zuvor hatte ich ihn gefragt, ob ich von den getrockneten Aprikosen, von denen seine Frau täglich frische Konfitüre machte, auch welche kaufen könne. Nein, meinte er, aber jetzt beim Abschied überreichte er mir ein Stoffsäckchen mit Aprikosen. Bezahlung lehnte er ab, ja, er meinte sogar, ich solle mich ihm anvertrauen, falls ich jetzt gegen Ende der Reise knapp bei Kasse sein sollte. Ich war einfach sprachlos.

Der Abschied war herzlich. Es blieb leider beim Wunsch nach einem Wiedersehen mit dem gütigen Mann.

Minapin (6. Juni)

Nach kurzen 50 km erreichte ich kurz vor 18 Uhr Minapin, wo ich im Diran Guesthouse eincheckte. Unterwegs war ich zweimal seltsamen Aufmärschen begegnet. Es schien sich um Rituale einer muslimischen Sekte zu handeln anlässlich Mohammeds Tod. (Der Prophet war an einem 8. Juni gestorben.)

In Aliabad hatte ich die Fahrt unterbrechen müssen, weil sich das Schauspiel auf der ganzen Strassenbreite abspielte. Innerhalb des Umzugs bildeten kleinere Gruppen Kreise. Bei einem rhythmisierten Singsang warfen die Leute die Hände in die Höhe und gingen gleich danach in die Hocke. Schwer erträglich war das, was sie taten, wenn sie die Kreise auflösten und der Zug sich fortbewegte. Es erinnerte an bildliche Darstellungen mittelalterlicher Flagellanten- respektive Geisslerzüge, bei denen sich die Büsser mit verknoteten, in eiserne Spitzen auslaufenden Riemen auf den eigenen Rücken schlugen. Auf der Strasse zwischen Karimabad und Minapin war es ein Zug hauptsächlich junger Männer, Burschen und Knaben. Sie marterten den eigenen Rücken. Die jungen Männer, fast alle mit unbedecktem Oberkörper, taten dies mit Messerbündeln, die sie an dünnen Ketten oder Schnüren mittrugen. Sogar sechs- oder siebenjährige Knaben geisselten sich auf diese Weise, wenn auch mit kleineren und vermutlich weniger scharfen Klingen. Zwei Männer mit Spritzgeräten (ähnlich solchen, wie man sie bei uns zum Baumspritzen verwendet) bewegten sich innerhalb der Kolonne vor und zurück und besprühten die Rückenwunden der Flagellanten mit einem Desinfektionsmittel.

Das sowohl akustische wie visuelle Spektakel war frei von Aggressivität. Darum getraute ich mich, einen der Männer zu fragen, ob ich fotografieren dürfe. Er hatte keinen Einwand, posierte sogar stolz vor der Kamera. Seinen Rücken zum Motiv zu machen, dünkte mich indessen zu voyeuristisch, aber sein Messerbündel untersuchte ich genauer. Es waren schwere, geschliffene Klingen. Von der Vorstellung, sich damit willentlich zu verletzen, bekam ich Gänsehaut. Gleichzeitig zu sehen, wie entspannt die Gesichter der Flagellanten waren, war äusserst merkwürdig. – Wie konnte man im Übergang zum 21. Jahrhundert noch ein solch archaisches Ritual der Prophetenverehrung pflegen?

Mit den Messern am Gürtel hat er sich zuvor gegeisselt.
Mit den Messern am Gürtel hat er sich zuvor gegeisselt.

Was für ein Kontrast dazu dann das Guesthouse in Minapin! Das Gebäude steht in einen prachtvollen Garten mit Apfel-, Aprikosen- Maulbeer- und Kirschbäumen sowie Erdbeerbeeten. Diese und die Kirschen waren reif. Als Gäste durften wir davon pflücken, so viel wir wollten. Den tiefschwarzen, süssen Kirschen konnte man nicht widerstehen.

Kirschen im Garten des Diran Guest House in Minapin.
Kirschen im Garten des Diran Guest House in Minapin.

Im Guesthouse traf ich wieder auf die Österreicherin und den Australier, die ich in Kashgar kennen gelernt hatte.3 Die Tour zum Base-Camp hatten sie bereits hinter sich. Auch sie meinten, das schaffe man an einem Tag. Nach einem reichhaltigen Nachtessen – weil die übrigen vier (!) Gäste Vegetarier waren, bereitete der Koch einzig für mich ein Rindsragout zu – hatte man uns zum Nachtisch eine Schale mit Kirschen auf den Tisch gestellt und Rosentee serviert. Ich könne ohne weiteres schon um halb sechs frühstücken, wenn ich auf eine längere Wanderung gehen wolle, erklärte der Koch

Tatsächlich verliess ich um Viertel nach sechs in der Früh das Haus. Den Milchkaffee hatte ich selbst zubereitet. Des eher knappen Brotvorrats wegen war der Koch in Verlegenheit (er wollte mir ein Picknick mitgeben). Er brachte mir schliesslich nicht nur Tee und heisses Wasser für den Kaffee, sondern kochte auch fünf Eier. Drei davon nahm ich auf die Tour mit.

Rakaposhi, 7788 m (Postkartenansicht).
Rakaposhi, 7788 m (Postkartenansicht).

Der Rakaposhi im Karakorum ist berühmt für seine das Hunzatal überragenden riesigen Eiswände, vor allem aber dafür, dass er anders als ähnlich hohe Gipfel nicht aus einem Massiv emporragt, sondern fast von Grund des Tals nahezu 6'000 m hochsteigt. Er ist schon als reine Bergform beeindruckend. Die 20 km breite Nordwand ist die weltweit höchste Steilflanke. Und der Berg ist berüchtigt, weil er in Gipfelnähe meist von eisigen Schneestürmen umtobt ist. Erste Besteigungsversuche zwischen 1947 und 1954, unter anderen von Anderl Heckmair, schlugen hauptsächlich dieser Stürme wegen fehl. Die Erstbesteigung gelang erst Mike Banks und Tom Patey4, Mitgliedern einer britisch-pakistanischen Expedition, am 25. Juni 1958.

Für Banks war es der zweite Versuch. Bei seiner ersten Expedition hatte ein 12-tägiger Sturm ihn und sein Team in die Zelte gesperrt. Danach versuchten Banks und MacInnes zu zweit den Weiteraufstieg. Sie schafften es bis 650 m unterhalb des Gipfels, wo sie in den «grandfather of a storm»5 gerieten und schliesslich, schneeblind und entkräftet, aufgeben mussten. (Dass sie den Abstieg schafften, obwohl sie in eine Lawine gerieten, übersteigt ein normales Vorstellungsvermögen.)

Der zweite Versuch 1958 verlief nicht weniger spektakulär, endete aber erfolgreich. Banks und Patey errichteten ihr letztes Lager auf 7'300 m Höhe. Am Tag des Aufstiegs trieb ein 100-km-Wind bergauf – als Gegenwind hätte er zu sofortigen Erfrierungen geführt. Nachfünfstündigem Kampf standen sie als Erste auf dem Gipfel des Rakaposhi.

Am Vorabend war ich den ersten Kilometer des Weges schon mal abgeschritten, um zu prüfen, ob ich die Tour in Trainingsschuhen machen konnte. Das viele Geröll auf dem Weg war gewöhnungsbedürftig, aber Wanderschuhe waren auf dem trockenen Weg nicht notwendig. (Regen oder Schneefall hatte es auf der bisherigen Reise nur vor und nach Tashkurgan gegeben.) Als ich nun richtig unterwegs war, sah ich mich einige Male zwischen Gruppen Einheimischer den Berg hoch wandern. Die Leute waren nicht wie ich auf einem Sonntagsausflug; vielmehr begaben sie sich mit Kühen, Ziegen und Schafen auf die die 600 bis 800 m höher gelegenen Weiden. Jede Familie führte einen Esel mit. Auf einzelnen ritten die kleineren Kinder bergauf. Die Karawane ähnelte einem Alpaufzug, aber ich erfuhr, dass sie abends wieder absteigen würden, die Strecke also täglich zweimal zurücklegten. Deshalb war der Weg mehr ein Viehpfad als ein Wanderweg (was später den Abstieg beschwerlich machte).

Die Leute stiegen in Familiengruppen hoch. Oben sah ich, dass sich die Männer in neuen Gruppen sammelten. Während Frauen und Kinder das Vieh hüteten, machten die Männer, was man bei uns als Alpwerch bezeichnet, sie schnitten Büsche, besserten Wege aus, legten Drainagen. Als ich auf dem Rückweg wie beim Aufstieg zwei schmale Holzbrücken passierte, stellte ich fest, dass sie in der Zwischenzeit mit Tannenästen und darüber geschaufeltem Sand und Kies ausgebessert worden waren. Vermutlich um das Vieh vor Fehltritten zu schützen und ihm die Scheu vor dem Überqueren zu nehmen.

Der Weg hinauf zum Camp führt nahe am Minapin Gletscher vorbei, dessen gewaltige Eismassen einen spektakulären Kontrast zum Nadelwald bilden.

Der 18 km lange Minapingletscher windet sich in einer S-Kurve zu Tal.
Der 18 km lange Minapingletscher windet sich in einer S-Kurve zu Tal.
Quelle: Chen Zhao, CC BY 2.0

Im Abstieg trugen die Esel in Säcke gepackte oder zusammengebundene Holzbündel. Es waren die Äste umgestürzter Bäume. Die dicken Stämme mussten liegen bleiben, weil es keine Möglichkeit gab, sie ins Tal zu schaffen. Das Gelände unterschied sich kaum von Schweizer Alpweiden. Es bestand aus Kurzgraswiesen, Baumgruppen und kleinen Äckern. Ausser ein paar wenigen kleinen Steinbauten sah ich keine Gebäude. Verblüffend war, dass es eine zusammenhängende Waldfläche erst oberhalb von 3'000 m gab. Es waren zur Hauptsache Fichten- und Föhrenbestände. Die meisten Fichten schienen mir um zehn und mehr Meter höher als ihre mitteleuropäischen Artgenossen. Der Wald dürfte uralt sein.

Kurz nach neun Uhr erreichte ich das Camp auf der Nordost-Seite des Rakaposhi. Der Gipfel befindet sich mehr als 4'000 m darüber! Gleichwohl bekam man den Eindruck, ihm nahe zu sein. Die Schneewirbel in Gipfelnähe waren vermutlich nicht so harmlos, wie sie aussahen. Hier oben, auf 3'500 m ü. M., war es windstill und immer noch so warm, dass ich weder das Thermoleibchen noch die Jacke aus dem Rucksack nahm.

Im Hintergrund der Gipfel des Rakaposhi, neben dem Zelt Arno und Eva aus Utrecht.
Im Hintergrund der Gipfel des Rakaposhi, neben dem Zelt Arno und Eva aus Utrecht.

Bergsteiger waren keine da, aber ich traf auf sechs Leute, die wie ich zum Base-Camp hatten aufsteigen wollen, zwei aus den Niederlanden und vier aus Frankreich. Die Franzosen hatten ihr Zelt auf halber Höhe zwischen Minapin und dem Camp aufgeschlagen. Mit den Holländern Eva und Arno unterhielt ich mich länger. Sie studierten in Utrecht Geografie, und sie kannten auch die Schweiz, insbesondere das Wallis. Arnos Vater besass ein Ferienhaus im Val d’Anniviers. Beide waren berggewohnt und trugen im Gegensatz zu mir dem Gebirge angepasste Kleider und Schuhe.

Alle sechs würden später in Minapin ebenfalls ins Diran Guest House wohnen. Eine andere Möglichkeit gab’s nicht; das zweite Hotel am Ort war geschlossen. Als ich am Nachmittag von der Tour zurückkehrte, waren die vier Gäste vom Vortag abgereist. Ich hatte das Dreierzimmer für mich allein. Das wunderte mich. Umso mehr, als Hotel und Umgebung das Beste war, was ich bis zu diesem Zeitpunkt an touristischer Infrastruktur angetroffen hatte. (Als Gesamtkomplex übertraf das Hotel selbst das Haider Inn.) Im Gebäude war viel Holz verbaut, die Gänge waren mit Teppichen belegt, und es gab überall bequeme Sitzgelegenheiten. Von der Qualität des Essens war bereits die Rede.

Von Israr Hussain, dem Hotel Manager, vernahm ich einiges über die damalige Situation des pakistanischen Tourismus. Dieser sei gegenwärtig am Boden. Wenige Jahre zuvor habe noch viel Zuversicht geherrscht bezüglich touristischer Entwicklung. Jetzt seien viele Hotels halb leer oder geschlossen. Das zweite Hotel in Minapin wolle man zu einer Schule umbauen. Gründe für das Ausbleiben vor allem der Gruppenreisen seien die negativen Schlagzeilen, die Pakistan seit längerem in der Weltpresse mache. Er nannte unter anderem die Raketenversuche, die Spannungen mit Afghanistan und Indien und der zurzeit herrschende Krieg um Kaschmir.6

Der als Kargil-Krieg bezeichnete dritte Kaschmir-Krieg zwischen Indien und Pakistan begann am 26. Mai 1999 – ich befand mich zu diesem Zeitpunkt in Tashkurgan –, und zwar als Offensive Indiens. Im Februar des gleichen Jahres hatten sich beide Länder darauf geeinigt, den Konflikt mit friedlichen Mitteln zu lösen. Zur gleichen Zeit überschritten aber Bewaffnete aus dem pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs die Waffenstillstandslinie, um Stellungen der indischen Armee zu besetzen. Es waren Stellungen in extremer Höhenlage auf einem Grenzstreifen des Distrikts Kargil, die Indien im Winter wegen der klimatischen Bedingungen jeweils verliess. Anfangs Mai entdeckte Indien die etwa 800 Mann starken Einheiten. Vermutlich befanden sich unter ihnen auch reguläre pakistanische Soldaten. Das wurde von Pakistan allerdings bestritten.

Nachdem Indien im unwegsamen Terrain vorerst kaum vorangekommen war, gelang es ab Anfang Juni, die Pakistaner zurückzudrängen. Um den Konflikt nicht eskalieren zu lassen – Pakistan behauptete nach wie vor, damit nichts zu tun zu haben –, wurden die zurückweichenden Einheiten nicht über die Waffenstillstandslinie hinweg verfolgt. Bis zum 11. Juli hatte Indien fast alle besetzten Stellen zurückerobert. Bereits eine Woche zuvor hatte sich der pakistanische Premier Navaz Sharif nach Gesprächen mit Bill Clinton bereit erklärt, die ‘Freiheitskämpfer’ abzuziehen (und gestand damit die Beteiligung indirekt ein). Am 14. Juli wurden die Kampfhandlungen eingestellt.

Die innenpolitische Folge für Pakistan war der im Oktober 1999 erfolgreiche Militärputsch von General Pervez Musharraf gegen Premier Navaz Sharif. (Quelle: Wikipedia)

Am Morgen danach (7. Juni) stand mein Velo schon kurz nach acht samt Gepäck vor dem Hotel bereit. Zum Frühstück gab es Porridge, frisches Fladenbrot, Maulbeerkonfitüre und Milchkaffee. Bevor ich mich verabschiedete, setzte ich mich nochmals in den Garten, pflückte eine Handvoll Kirschen und blätterte in einem Fotoband. Da ich an diesem Tag nicht viel länger als eine Stunde auf dem Rad sein würde, brauchte ich mich nicht zu beeilen. Auch die Vogelstimmen luden zum Verweilen ein. Ausser den Singvögeln gab es eine Menge Elstern, deren Lautäusserungen zum Vogelgesang ohrenfällig kontrastierten. Einen ähnlichen Gegensatz zum Gartenidyll bildeten Texte im Karakorum-Fotoband. Sie vermittelten das Bild eines gefährlichen Landes. So hätten die pakistanischen Träger die Ohnmacht der Fremden ausgenutzt, indem sie die japanische Expeditionsteilnehmer mit Streiks und Waffengewalt zwangen, höhere Löhne zu bezahlen. Dieses Bild passte so gar nicht zu den aufregend schönen Aufnahmen im Buch. Und es widersprach auch meinen persönlichen Erlebnissen. Dass das Geschilderte weniger als zwei Jahrzehnte zurücklag, irritierte zusätzlich. Aber vermutlich waren weder meine Erfahrungen von 1999 noch die der Japaner aus den frühen 80er-Jahren je repräsentativ.

Chalt (7. Juni)

Ich hätte von Minapin aus gleich bis Gilgit durchfahren können, wollte aber einen Tag in Chalt verbringen. Wie im Bericht über die erste Etappe erwähnt, wird Chalt als ein besonders sehenswerter, mitten in einer Oase liegender Ort beschrieben. Ein weiterer Zwischenhalt vor Gilgit machte auch darum Sinn, weil ich inzwischen wusste, dass ich wegen der kriegerischen Auseinandersetzung keinen Abstecher ins pakistanisch kontrollierte Gebiet Asad Kaschmir würde machen können. (Eigentlich befand ich mich bereits auf kaschmirischem Territorium.

Die Nordgebiete – das heutige Gilgit-Baltistan – gehörten zum ursprünglichen Kaschmir. Heute teilt sich das im Himalaya gelegene Kaschmir in den indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir, die pakistanische Region Gilgit-Baltistan und das teilautonome pakistanische Asad Kaschmir sowie einige chinesische Gebiete.)

Von Gilgit aus wollte ich mit dem Bus nach Rawalpindi fahren und kurz danach in die Schweiz zurückfliegen. Früher als ursprünglich gedacht. Darum hatte ich die Absicht, von Chalt aus den Rückflug umzubuchen. Dann würde ich wissen, wie viel Zeit mir in Pakistan noch blieb.

Als ich kurz nach zehn Uhr den Ort erreichte, fuhr ich gleich zum Resthouse. Dort standen meinen Informationen gemäss für Touristen zwei Doppelzimmer zur Verfügung. Das Haus gehört der Regierung und wird gelegentlich von durchreisenden Beamten benutzt. Es konnten aber auch Fremde darin übernachten. Das Gebäude steht in einem baumbestandenen Garten.

Das von Bäumen umstandene Resthouse in Chalt.
Das von Bäumen umstandene Resthouse in Chalt.

So einladend sich die Umgebung präsentierte, so enttäuschend war das Hausinnere. Weil ich draussen niemanden sah und die Tür unverschlossen war, betrat ich das Haus. Auch drin schien niemand zu sein. Es war offenbar auch schon länger nicht mehr geputzt worden. Warum ich das Haus nicht gleich wieder verliess, ist mir heute ein Rätsel. Wenn ich mich wieder aufs Rad gesetzt hätte, wäre ich in zwei, drei Stunden in Gilgit gewesen. Vermutlich war ich neugierig geworden, und ausserdem war ich inzwischen Überraschungen gewohnt. Wie auch immer, ich öffnete eine der Innentüren und sah einen Mann im Bett liegen. Kein Gast, wie sich herausstellte, sondern die Person, die man euphemistisch als Rezeptionist hätte bezeichnen können. Der ältere Herr sprach kein Wort Englisch; er schien hier, wartend oder schlafend, seine Zeit zu verbringen. Im anderen Doppelzimmer war niemand, aber die Bettwäsche schien nach dem letzten Gast nicht gewechselt worden zu sein. Ich versuchte dem Mann zu erklären, dass ich eine Nacht bleiben würde, wenn er das Zimmer in Ordnung bringe. Er tat nichts dergleichen, bedeutete mir aber – und nun wurde es absonderlich –, gemeinsam mit ihm ins Dorf zu gehen. Mit der Bettwäsche unterm Arm! Ich war nun wirklich neugierig. Zeit hatte ich ja, und ein Risiko ging ich nicht ein. Vielleicht führte er mich in eine Wäscherei. Wir betraten jedoch eine Art Nähstube, wo sich nach einer Weile ein Mann näherte und nach unserem Anliegen fragte. Er verfügte über rudimentären Englischkenntnissen. Ich äusserte meinen Wunsch nach sauberem Bettzeug (es musste ja einen Grund geben, warum mich der Alte hierhergeführt hatte). Immerhin war das Resthouse eine Unterkunft für Durchreisende, so dass mein Anliegen berechtigt war. Der alte Mann ist doch nicht Ihr Waschmann! bekam ich zur Antwort. Auch jetzt hätte ich noch wegfahren können, tat es aber nicht. Aus Trotz? Im Krämerladen nebenan besorgte ich Seife. Ein junger Mann, Student, wie er sagte, hatte sich kurz zuvor zu uns gesellt. Mit ihm, aber ohne den Alten ging ich zurück zum Haus. Er half mir die Bettwäsche waschen und den Vorraum sowie eines der Zimmer säubern. (Auf dem Foto oben sieht man das zum Trocknen aufgehängte Leintuch.) Auch der junge Mann war der Ansicht, der Alte sei für die Reinigung des Hauses verantwortlich. Anscheinend waren seit längerer Zeit keine Gäste mehr da gewesen, so dass die Versäumnisse niemandem aufgefallen waren. Das Resultat unserer Arbeit waren schliesslich zwei saubere Räume und ein frisch bezogenes Bett. So ordentlich, wie es nun war, verliess ich am nächsten Tag das Resthouse. Ich hatte nicht im Haus, sondern im Garten geschlafen. Die Putzaktion hätte ich mir sparen können. Sie hätte dann Sinn gemacht, wenn ich mich in einer Notlage befunden, die Unterkunft unbedingt gebraucht hätte. Ob ich dem Alten bloss einen Spiegel vorhalten wollte?

Für mich machte es keinen Unterschied, ob ich auf einer Bergtour in der Schweiz eine unaufgeräumte Notunterkunft oder im Norden Pakistans ein abgefucktes Gästehaus vorfand. In einer solchen oder ähnlichen Situation scheue ich mich nicht, das Notwendige selber an die Hand zu nehmen. – Auf die Idee, draussen zu schlafen, war ich übrigens erst spätabends gekommen, als die Temperatur und der Garten dazu einluden.

Wieder zurück zum Nachmittag des 7. Juni. Das Waschen und Putzen dauerten kaum zwei Stunden. Zu Mittag ass ich im Dorfrestaurant. Es gab Tomaten- und Zwiebelsalat, Hammelfleisch mit Kichererbsen und wie üblich frische Chapati (Fladenbrot). Weil ich abends selber kochen wollte, kaufte ich nachher Zwiebeln, Tomaten, Eier und ein wenig Gebäck. Im Laden, es war der gleiche, wo ich zuvor die Seife gekauft hatte, lud man mich zum Tee ein.

Später begab ich mich auf eine Wanderung ins Ghashumaling-Tal. (Das war der Grund, warum ich mich hier einen Tag lang aufhielt.) Reginald Schomberg, der britische Offizier und Forscher (1880-1958), hat das Gebiet als das schönste rund um Gilgit beschrieben. In der Tat, es als lieblich zu bezeichnen war auch im Jahr 1999 nicht übertrieben. Der Pfad führt durch eine Schlucht und danach einem terrassierten Hang entlang allmählich aufwärts durch Obstgärten mit Aprikosen-, Nuss- und Maulbeerbäumen. Die Wiesen waren mit kniehohen Natursteinmäuerchen eingefasst. Das Tal ähnelte der Gartenanlage des Hotels in Minapin, einfach um einen Faktor x grösser. Direkt gegenüber befindet sich auf einer fast ebenen Terrasse das Dorf Chaprot. Vom Tal herauf hörte ich Hähne krähen, Kühe muhen, auch fröhliches Kindergeschrei. Inmitten dieser Szenerie verflog der vormittägliche Ärger. Ich hatte wie üblich eine Lektüre dabei, diesmal ein Reclam-Heft mit Platons Phaidon. Auf einem Stein sitzend, las ich die Passage, wo Sokrates im Kreis seiner Freunde die Gedanken über die Unsterblichkeit der Seele erörtert. Mich faszinierte, wie Sokrates seine Ansicht nicht nur theoretisch vorträgt, sondern sie in der heiteren Gelassenheit seines letzten Lebenstages vorlebt.

Keine Notizen finde ich im Tagebuch zu einer Szene, an die ich mich lebhaft erinnere und von der ich meine, dass sie sich hier abspielte. Sie blieb mir vermutlich deshalb im Gedächtnis, weil sich darin etwas von dem verdichtete, was tägliche Erfahrung war: Ich kam nie dazu, mit einer pakistanischen Frau auch nur ein Wort zu wechseln. Ja, selbst einer Frau zu begegnen, war nahezu unmöglich, ausser wenn sie mit Familienangehörigen unterwegs war. Als ich an diesem Nachmittag auf dem Fussweg bergauf ging, kam mir eine Frau entgegen. Uns trennten noch etwa hundert Meter. Ich überlegte, wie ich mich verhalten sollte, wenn wir einander kreuzten. Durfte ich ihr ins Gesicht sehen und sie grüssen? Wie würde sie sich verhalten? Meine Fragen blieben unbeantwortet, denn Augenblicke später war sie verschwunden. Die Distanz zwischen uns hatte sich halbiert, als ein Baum einen Moment lang die Sicht verdeckte. Ich ging auf dem Weg weiter und schaute kurz darauf zurück. Die Frau war wieder auf dem Fussweg und hatte bereits eine ordentliche Distanz zwischen sich und mir gelegt. Während sie zuvor kurz aus meinem Blickfeld verschwunden war (und ich aus ihrem), war sie allem Anschein nach blitzschnell zu einem Mäuerchen oberhalb des Pfades gerannt und hatte sich dahinter ersteckt. Dass ihr auf dem Weg, den sie wohl täglich benutzte, ein Fremder entgegenkam, musste sie in Panik versetzt haben. Kein angenehmer Gedanke für mich, Anlass dafür gewesen zu sein.7

Das Blasphemiegesetz

Ich habe oben (unter dem Zwischentitel «Minapin») den Geisslerzug geschildert. Ich fragte mich damals auch, ob man mit den Männern über ihr Tun (kritisch) hätte diskutieren können. Auch die eben geschilderte Szene mit der Frau, die sich vor mir versteckte, irritierte mich. Damals bildete ich mir ein, befremdliche Verhaltensweisen dieser Art würde im Kontext globaler Vernetzung bald von selbst verschwinden. Zuversichtlich war ich auch deshalb, weil 1999 die Schulbildung in Nordpakistan eine erfreuliche Entwicklung nahm. Knaben wie Mädchen gingen zur Schule. Man berichtete, wie viel die Aga Khan-Stiftung dazu beitrug. An einem Ort versicherte mir ein Mann sogar, die Kinder würden in geschlechtergemischten Klassen unterrichtet. Ich freute mich darüber; überprüfen konnte es nicht. Mein Optimismus war naiv, wie sich heute herausstellt. Ende Oktober 2018 berichten die Medien wieder einmal von religiösem Fanatismus in Pakistan. Ausgelöst wurden entsprechende Manifestationen durch einen Entscheid des Obersten Gerichtshofs in Islamabad vom 31.10.2018. Das Gericht hob das Todesurteil gegen die christliche Bäuerin Asia Bibi von 2009 auf. Die inzwischen 51-jährige fünffache Mutter war wegen Blasphemie verurteilt worden. Sie hatte auf dem Feld aus einem Becher, den zuvor Musliminnen benutzt hatten, Wasser getrunken. Die Frauen warfen ihr vor, den Becher verunreinigt zu haben, als Musliminnen könnten sie daraus nicht mehr trinken. Im Streit danach soll sich Asia Bibi abfällig über Mohammed geäussert haben. (Das gab sie später gegenüber einem fanatischen Mob zu, der sie mit dem Tod bedrohte.) Was folgte, waren ihre Verhaftung und das Urteil. Seither sass sie in der Todeszelle.

Der damalige Gouverneur ihrer Provinz (Punjab) besuchte sie im Gefängnis und äusserte sich kritisch über das Blasphemiegesetz. Kurz darauf wurde er von seinem Leibwächter getötet. Dieser wurde deswegen zum Tode verurteilt und hingerichtet. Seither wird er von einem Teil der Muslime als Märtyrer verehrt.

Unmittelbar nach Asia Bibis Freispruch begannen islamische Hetzer Stimmung gegen die Justiz zu machen. Einer der Wortführer rief öffentlich zum Lynchmord an den verantwortlichen drei Richtern auf. Ihre Wächter, ihre Köche oder ihre Fahrer sollten sie töten. In mehreren Städten ging ein Mob aufgebrachter Muslime auf die Strasse. Pakistans kürzlich gewählter Premier Imran Khan (ein ehemaliger Weltklasse-Cricketspieler) kritisierte in einer Fernsehansprache die Hetzer. Er nannte die Aufmärsche eine «Feindschaft gegen das Land».8 Die Entscheidung der obersten Richter sei zu respektieren, sie stehe im Einklang mit der Verfassung. Während der Premier von seinen Anhängern für seinen Mut gelobt wurde, zeigen sich die Hardliner unbeeindruckt.

Was bedeutete das für Asia Bibi? Es war klar, dass sie nach der Freilassung ins Ausland gebracht werden müsste. Dazu kam es nicht. Weniger als 24 Stunden nach Imran Khans Fernsehansprache meldete die Nachrichtenagentur AFP, die Regierung habe mit den radikalen Islamisten vereinbart, die Ausreise von Asia Bibi zu verhindern, ja, sie weiter im Gefängnis zu behalten und das Verfassungsgericht aufzufordern, die Aufhebung des Todesurteils zu überprüfen.9 Die Regierung war vor den Eiferern eingeknickt. Weil auch der Anwalt der Pakistanerin um sein Leben fürchtete, floh er aus dem Land.

«Der Zorn von Islamisten zählt mehr als das oberste Gericht», titelte der «Tages-Anzeiger» am 5. November. Am Tag zuvor ersuchte Asia Bibis Ehemann westliche Staaten, darunter die USA und GB, darum gebeten, ihm und seinen Töchtern um Asyl. Weil sie um ihr Leben fürchteten, versteckten er und sie sich an wechselnden Orten.

Das Einknicken der Regierung wurde von pakistanischen Zeitungen verurteilt. Es wurde als «eine weitere Kapitulation» bezeichnet. Der pakistanische Informationsminister rechtfertige die Vereinbarung als Notwendigkeit des «Feuerlöschens». Die Regierung sei nach wie vor auf der Suche nach dem «Heilmittel», das den Extremismus permanent beenden könnte.10 Schon längst möchten liberale Pakistaner das unmenschliche Gesetz beseitigen, aber nur schon seine Reform zu fordern, gilt als gefährlich. Für Asia Bibi hatte sich seinerzeit auch Shahbaz Bhatti eingesetzt. Er war Christ und Minister für religiöse Minderheiten. Im März 2011 wurde er bei einem Attentat getötet. Zum Anschlag bekannten sich die Taliban, die in einem Schreiben auch weiteren Gegnern des Blasphemiegesetzes mit dem Tod drohten.

[Zum Stand der Information kurz vor der Veröffentlichung dieses Textes (Januar 2019): Der radikale Kleriker, der die Protestbewegung anführte, wurde festgenommen; später auch hundert seiner Unterstützer. Die pakistanischen Behörden liessen Asia Bibi am 7. November frei und brachten sie an einen geheimen Ort, wo sie ständig bewacht wird. Die deutsche Regierung bewilligte ein Asylangebot für Asia Bibi und ihre Familie. Auch Frankreich, Grossbritannien und Kanada formulierten ähnliche Zusagen. In welches Land Asia Bibi und ihre Familie schliesslich ausreist, ist offen.]

Als ich am Abend auf der Veranda des Gästehauses kochte bekam ich Besuch. Der Student kam wieder her und mit ihm noch zwei Männer. Der eine, ein älterer Herr, war der eigentlich Zuständige fürs Resthouse, der andere war ein Mann zwischen 30 und 40. Er sprach gut Englisch. Die oben geschilderten Umstände in der Unterkunft waren kein Thema, obwohl ich spürte, dass der grauhaarige Mann informiert war und hergekommen war, um mir sein Wohlwollen zu übermitteln. Die Männer schauten sich meine Fotos an, erkundigten sich nach meiner Familie und dem bisherigen Reiseverlauf. Keiner sprach das Kriegsgeschehen an. Es selber zu tun hielt ich nicht für opportun. Zur Hauptsache sprachen wir über Tourismus. Unter anderem darüber, dass westliche Touristen – so die Aussage der Männer – sich häufig Kinder als Tourenführer nähmen. Sie nannten dies eine Unsitte, die sie aus erzieherischen Gründen missbilligten.

Ich schlief gut im Garten. Ausser dem sanften Wind in den Bäumen ringsum gab’s kaum Geräusche. Am Morgen wurde ich von zwitschernden Vögeln schon kurz nach fünf geweckt. Bevor ich eine Stunde später losfuhr, kam der Alte vorbei, um die Gebühr einzukassieren! Wohl in den eigenen Sack, denn weder zeigte er mir ein Gästebuch noch gab er mir eine Quittung. Im Grunde genommen hätte ich die Bezahlung ablehnen können, aber ich wollte jede Auseinandersetzung vermeiden. Und da der Mann kein Englisch sprach, hätte wir uns ohnehin missverstanden. Drum bezahlte ich den Minimalbetrag für die Benützung des Gartens.

Gilgit (8. und 9. Juni)

Kurz vor neun Uhr war ich zurück in Gilgit – und checkte natürlich dort ein, wo ich mich vor dem Start zur Velostrecke hatte frisch machen dürfen. Als Bekannter wurde ich umso freudiger begrüsst. Der Manager fragte, was ich abends essen wolle; im Preis sei das Abendessen inbegriffen. Der Koch koche auch italienisch. Ich entschied mich für Spaghetti und entsprechende Zutaten. Später am Tag kam der Mann dann zu mir und erklärte kleinlaut, ich sei der einzige Gast mit dem Wunsch nach italienischem Essen. Wenn ich aufs Abendessen verzichte, gewähre er einen Preisnachlass. Ich hatte nichts einzuwenden, im Gegenteil, so konnte ich in ein Restaurant essen gehen und mich dort eventuell via TV über den Stand der militärischen Auseinandersetzungen um Kaschmir informieren. Einen ersten Eindruck davon hatte ich bereits bei der Ankunft bekommen. Es herrschte ziemlich viel Verkehr; die meisten Fahrzeuge gehörten der Armee.

Nach dem Einchecken ging ich gleich zum Post- und Telekommunikationsgebäude. (In Chalt hatte es keine Möglichkeit gegeben zu telefonieren.) Drin wurde mir als einzigem Zivilisten ein bisschen mulmig; die Infrastruktur stand unter militärischer Kontrolle. Im Eingangsraum war ein Gewusel von Männern in Khakiuniformen; anscheinend Offiziere. Auf die Frage, ob ich telefonieren dürfe, schob mir ein Uniformierter hinter dem Tresen den Apparat zu. Die Verbindung mit der Fluggesellschaft klappte. Man bot mir einen Platz auf dem Flug vom kommenden Sonntag an; ich müsse allerdings spätestens am Samstag im Büro in Islamabad das Ticket umzudatieren lassen. Das erste Problem war gelöst. Nun bat ich um ein Ferngespräch in die Schweiz. Der Offizier zog den Apparat zu sich heran und liess sich die Nummer geben. Auf der (damals üblichen) Wählscheibe dauerte es, bis er alle Ziffern eingegeben hatte. Vergeblich. Er versuchte er es wieder und wieder, auch weil er sich zwischendurch verwählte. Ich nahm an, er werde gleich die Geduld verlieren, hielt den Versuch darum für gescheitert. Plötzlich tönte es aber, als würde es an meinem Wohnort klingeln. Wenige Augenblicke später vernahm ich die Stimme meiner Frau. Ein emotionaler Moment, auch wenn ich in der Folge wegen des Lärms ringsum nicht alles verstand. Immerhin konnte sie ein paar Dinge erzählen und sich von mir informieren lassen. Auch die Nummer meines Apparates teilte ich ihr sicherheitshalber mit. Tatsächlich brach die Verbindung nach kurzer Zeit ab. Ich erklärte dem Mann vis-à-vis, meine Frau werde nun zurückrufen. Banges Warten … bis es schellte! Und was tat der Offizer? Er hob den Hörer eine Handbreit hoch und legte ihn gleich wieder auf die Gabel zurück. Warum er das tat, blieb offen. Ich hätte ihn ohrfeigen können. Ein anderer (vermutlich höherer) Offizier bemerkte, in welcher Gemütsverfassung ich geriet, und schaltete sich ein. Er veranlasste, dass ich nochmals anrufen konnte. Als er die Rückrufnummer, die ich erhalten hatte, las, meinte er, da stehe die Vorwahl für den Iran drauf. (Glücklicherweise hatte ich meine Frau zuvor gebeten, die Vorwahl zu überprüfen.) Seine Hilfsbereitschaft entspannte die Situation. Ich konnte den Kontakt nach Hause noch einmal herstellen, und es klappte nach einem erneuten Unterbruch sogar mit dem Rückruf.

Als ich das Gebäude verliess, war ich aufgewühlt und beruhigt zugleich. Zu Hause war alles in Ordnung, und man wusste, mit welchem Flug ich in Zürich ankommen würde. Ich spürte, dass ich in den Minuten zuvor innerlich Abschied genommen hatte von Pakistan. Auch wenn die Militärs mir gegenüber korrekt und höflich gewesen waren, hatte die Szene meine Nerven strapaziert. Ich sah mich in den Gedanken bestärkt, die mir schon auf den letzten Kilometern vor Gilgit durch den Kopf gegangen waren. Dass ich nämlich auch ohne das Säbelrasseln der Pakistaner11 nicht mehr motiviert wäre für einen Abstecher in den pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs. Das wäre der Hitze wegen ohnehin schwierig geworden; ich hätte nur in den frühen Morgenstunden und am Abend fahren können.

Da nun das Datum des Rückflugs feststand, begab ich mich gleich zum Busterminal und kaufte bei Mashabrum Tours12 ein Ticket für die Fahrt vom Mittwochnachmittag bis Donnerstagmorgen nach Rawalpindi.

Es blieben mir noch 24 Stunden in Gilgit. Den Nachmittag über war ich im Ort unterwegs. Ich schaute mir hauptsächlich die Angebote im Basar an. Es gab hier ebenfalls Mineralienhändler, aber ihre Preise waren sehr viel höher als in Karimabad. Erstaunlicherweise beeindruckten mich besonders Stoffe. Ich liess mir einiges zeigen, etwa bestickte Tücher und solche mit eingewobener Seide. Keiner der Händler hatte es eilig mit dem Verkaufen; sie wollten sich mit mir unterhalten. Meist wurde gleich Tee angeboten. Ein Tee war so speziell, dass ich nach der Sorte fragte. Der Inhaber schickte einen Burschen los; er solle beim Teehändler nachfragen. Zurück kam der junge Mann mit einem Kännchen frisch aufgegossenen Tees. Ja, es war dieselbe Mischung. Es war chinesischer Tee, den ich beim Teehändler dann auch kaufen ging. Der erstaunlich hohe Preis war angemessen, wie sich später zu Hause zeigte. – Mit dem Stoffhändler diskutierte ich auch über die Situation der pakistanischen Frau. Der Mann gab sich aufgeschlossen, das heisst, er anerkannte, dass sie mehr Rechte bekommen sollte. Er war jedoch skeptisch, ob die patriarchalische Gesellschaft dies in naher Zukunft auch so sehen würde. Wieweit das, was er ausdrückte, auch seiner Meinung entsprach, oder ob er sich mir gegenüber aufgeschlossen zeigen wollte, war schwer zu abzuschätzen. Seine Haltung mochte damit zusammenhängen, dass er öfters mit nichtmuslimischer Kundschaft, mit europäischen Käuferinnen etwa, zu tun hatte. Als ich wegging, ohne etwas zu kaufen, war das für ihn okay. Zuerst musste ich ohnehin schauen, ob ich in den Taschen genügend Platz für Stoffe hatte. Am nächsten Vormittag ging ich jedenfalls nochmals hin und kaufte, was mir besonders gefallen hatte. (Aus der mit Seide durchwirkten Stoffbahn nähte meine Frau bodenlange Vorhänge, die wir bis heute benutzen.)

Abends verpflegte ich mich sowohl auf der Strasse als auch im Restaurant. In grösseren Orten standen ab dem späten Nachmittag fast an jeder Ecke Holzkohlegrills mit brutzelnden Hammelfleisch-Spiessen. Zwei oder drei davon ersetzten zwar keine Mahlzeit, aber als Imbiss waren sie willkommen – und sie schmeckten gut. Man ass sie direkt vor Ort und legte die Spiesse dann zurück. Ich kaufte zwei und trank dazu ein Glas Joghurt. Der Hunger war für den Moment gestillt, so dass ich den Spaziergang fortsetzte. Als ich am frühen Abend ein Restaurant betrat, war der Saal voller Männer, die einen Cricket-Match schauten. (Cricket hat in Pakistan denselben Stellenwert wie Fussball bei uns.) In England fand eben die Cricket-WM statt, und die Mannschaft Pakistans hatte einen guten Lauf. Am Jubel der Männer sah ich, dass ihr Team am Gewinnen waren. Weil ich nichts von Cricket verstehe, hätte ich das selber nur an den Spielstand-Einblendungen erkennen können. (Die pakistanische Mannschaft erreichte am Ende den Final, verlor diesen jedoch gegen Australien.)

Eine Speisekarte gab’s nicht; der Kellner empfahl mir Chicken-Curry. Er brachte einen gebratenen Hühnerschenkel in einer Curry-Sauce und ein Körbchen mit Chapati. Weil die Männer enthusiastisch den Match verfolgten, war es so laut, dass ein Gespräch nicht möglich war. Später folgte eine Art Tagesschau. Das alles dominierende Thema waren die kriegerischen Ereignisse. Vom Gesprochenen verstand ich nichts, aber Bilder und Dramatik der Sendung genügten, um die Dramaturgie zu verstehen. Es dünkte mich, dass die Fernsehzuschauer weniger informiert als vielmehr im Nationalstolz befeuert werden sollten. Man sah keine Kriegsszenen – Pakistans Militär war bis zu diesem Zeitpunkt (und auch später) nicht an Gefechten beteiligt –, aber man sah die Aufmärsche der Armee und das in Stellung gebrachte militärische Arsenal. Die inszenierte Stimmung übertrug sich nur beschränkt auf die Anwesenden. Das Freudengeschrei während der Sportübertragung war einer weniger lautstarken Aufmerksamkeit gewichen. Ich verspürte jedenfalls inmitten der Betroffenen kein Unbehagen, aber ich bekam nach innen wie nach aussen adressierte Kriegspropaganda zu sehen.

Als ich bezahlen wollte, geriet ich einen Moment lang in Verlegenheit. Die Konsumation kostete zwar wie üblich nur wenig, aber hatte nicht genügend Geldscheine eingesteckt. (Der Wert einzelner Scheine betrug umgerechnet nicht mehr als fünfzig Rappen.) Meine Situation bemerkend, meinte der Kassierer, ich brauche mich nicht zu entschuldigen, schliesslich sei ich Gast. Zum Hotel war’s nicht weit, so dass ich wenig später zurück war und die Rechnung begleichen konnte. Wir verabschiedeten uns jedenfalls herzlich voneinander.

Gilgit – Rawalpindi – Zürich (10. bis 13. Juni)

Der Name Gilgit steht für eine Stadt, eine Landschaft, einen Fluss und einen Distrikt.

Der auf 1500 m ü. M. gelegene Ort mit seinen etwa 10‘000 Einwohnern bildet die Distrikthauptstadt und ist auch Verwaltungssitz der autonomen Region Gilgit-Baltistan (bis im August 1999 „Northern Areas“ genannt). Diese ist nicht eine Provinz Pakistans, sondern Teil der umstrittenen Region Kaschmir. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Gilgit von einem Fürsten regiert und 1860 vom Maharaja von Kaschmir erobert. Nach dem der Unabhängigkeit von Britisch-Indien folgenden Konflikt zwischen den neu gegründeten Staaten Indien und Pakistan fiel Gilgit an Pakistan und steht seither unter Bundesverwaltung.

Der 240 km lange Fluss Gilgit entspringt dem Shandur-See im Hindukusch (auf nahezu 4000 m ü. M.). Er ist ein Nebenfluss des Indus, in den er 50 km unterhalb der Stadt mündet. Die Rafting-Touren auf dem Fluss sind in der Zwischenzeit zu einem zusätzlichen touristischen Anziehungspunkt geworden.

Die Landschaft Gilgit liegt an der Südseite des Karakorum. Das milde Klima ermöglicht den Anbau von Reis und Baumwolle, zur Hauptsache aber von Obst, darunter Trauben, Feigen und Melonen. Wichtigstes Exportgut sind getrocknete Aprikosen und Seide.

Unter anderen Umständen wäre ich wohl noch einige Tage in Gilgit geblieben. Nicht nur ist es eine hübsche Stadt, es schien da auch ein vergleichsweise liberaler Geist zu herrschen. Diesen Eindruck bekam ich besonders in den Gesprächen im Basar. Dass die Stadt Ausgangspunkt ist für Berg- und Expeditionstourismus ist, dürfte westliche Einflüsse verstärkt haben. Auch wenn es im Hotel das versprochene italienische Essen nicht gab, war doch offensichtlich, dass man sich Gäste aus nichtmuslimischen Ländern gewohnt war. Umso mehr, als zum Hotel ein touristisches Unternehmen gehörte, das Ausflüge anbot. Spezialisiert war man auf Touren in die Gegend des K2. Zur Infrastruktur gehörten geeignete Fahrzeuge, insbesondere japanische Allrad-Jeeps. In mir sah der Manger nicht nur den Velotouristen, sondern (nicht zu Unrecht) auch den potenziellen Berggänger. Er forderte mich auf, später mit Sohn und/oder Tochter wieder herzukommen, um auch Gebiete weiter weg vom KKH kennenzulernen. Das schien mir in der Tat eine Option für die Zukunft zu sein. Aber jetzt nahte der Abschied.

Am Morgen des Reisetags trank ich endlich Tee bei Haidry. Die Teestube war ein winziger Ein-Mann-Betrieb. Haidry servierte frischen Schwarztee. Der kahlköpfige, grossgewachsene ältere Mann mit weissem Bärtchen goss nicht einfach Teeblätter mit heissem Wasser auf. Er goss das Wasser öfters um und gab in Abständen neben Teeblättern auch Milch, Zucker, Kardamom und Ingwer dazu. Zwischendurch spülte er die Tassen heiss aus. Er arbeitete mit halb geschlossenen Augen, etwa so, wie man sich einen Schamanen bei einem Ritual vorstellt. Die Wirklichkeit um ihn herum schien er bei der Zeremonie auszublenden. Etwas störend bezüglich der Gesamtästhetik waren seine Gummistiefel, aber da er den heissen Tee permanent umgoss, waren sie die einzig vernünftige Bekleidung. Wer die Zubereitung von Anfang an mitverfolgte, brauchte Geduld. Was dann endlich ausgeschenkt wurde, war etwas vom Feinsten, was ich als Tee je getrunken habe. Wie sehr Haidrys Zeremonie die Leute faszinierte, davon zeugten die an ihn andressierten Dankesbriefe mit Fotos an der Wand. Absender waren Menschen aus aller Welt, von Vancouver bis Australien.

Haidry bei der Tee-Zubereitung.
Haidry bei der Tee-Zubereitung.

Am Vormittag des Reisetags setzte ich mich nach dem Einkaufen in den kleinen Park in der Nähe des Basars. Es war ziemlich viel Volk da, Kinder, Jugendliche, Erwachsene. Von Letzteren halt nur Männer. Was mir besonders auffiel, hatte ich zuvor so nie beobachtet: viele Kleinwüchsige sowie Leute mit körperlichen oder geistigen Handicaps. Das Bild eines fünf- oder sechsjährigen Jungen prägte sich mir besonders ein. Das rechte Bein nachschleppend, konnte er sich nur mühsam fortbewegen. Ich erinnerte mich an meine Zeit als Primarschüler, als man bei uns hin und wieder Leuten mit ähnlichen Behinderungen begegnete. Die meisten waren Opfer von Kinderlähmung (Polio). Die Schutzimpfungen seit den 50er-Jahren haben die Krankheit in Europa zum Verschwinden gebracht, aber die WHO hat unseren Kontinent erst im Jahr 2002 für poliofrei erklärt. Im Pakistan von 1999 schien sie jedoch noch nicht ausgerottet zu sein. Über die Ursachen anderer physischer, aber auch geistiger Behinderungen konnte ich nur rätseln. Ob es Folgen nicht entdeckter Erbkrankheiten waren?

Am frühen Nachmittag checkte ich im Hotel aus. Es war Zeit, sich zum Busterminal zu begeben, denn ich musste sicherstellen, dass für Velo und Gepäck auf dem Dach genügend Platz blieb. Tatsächlich waren schon viele Leute da, vor allem junge Männer. Ob sie alle einsteigen würden? Für meine Bagage hatte es auf den Dachträger noch Platz. Es wurde viel hinaufgehievt, auch zahlreiche eisenbeschlagene Kisten und ebenso viele voluminöse Säcke unbestimmbaren Inhalts. Bis alles oben war und die Passagiere endlich einstiegen, verging viel Zeit. Von den jungen Männern reiste etwa jeder zweite mit; die andern waren sich verabschiedende Freunde oder Familienangehörige – wie gesagt, keine Frauen. Zwischen den Männern kam es zu emotionalen Abschiedsszenen. Nicht gerade mit Abschiedsküssen, aber doch mit Zärtlichkeiten wie bei uns zwischen Mann und Frau, Freund und Freundin üblich. Die Männer trugen keine Uniformen, aber ich mutmasste, dass sie zum Sammelpunkt einer militärischen Einheit reisten und dass die Kisten auf dem Dach ihnen gehörten. Pakistan unterhält eine sogenannte Freiwilligenarmee, zu der auch präsenzbereite Zeitsoldaten gehören. Eine allgemeine Wehrpflicht kennt das Land nicht.

Die Fahrt im zwar nicht museumsreifen, aber wenig komfortablen Bus war kein Vergnügen. Bei der Herfahrt war ich ja mit einem Kleinbus gereist, der ebenfalls die ganze Nacht, aber viel schneller unterwegs war. Jetzt musste ich mich auf eine 12- bis 14-stündige Fahrt einstellen. Es war noch während einiger Stunden hell. Die Dörfer unterwegs betrachtend, kam mir in den Sinn, was ein Österreicher berichtet hatte, dem ich auf dem KKH begegnet war. Er war die ganze Strecke von Peshawar bis Gilgit mit dem Velo gefahren. Dabei hätten ihn mehr als einmal Kinder mit Steinen beworfen.

Ich hatte selber während der ganzen Reise keinerlei Aggressivität erlebt, war jetzt aber froh, bis Rawalpindi Fahrgast zu sein. Auch das Sitzen war anstrengend. Ich fand keine Position, bei der mir nicht nach kurzer Zeit etwas wehtat. Die vielen Zwischenhalte zum Teetrinken taten gut, auch weil man dabei die steif gewordenen Glieder lockern konnte. Unter den Passagieren befand sich nur eine Frau. Sie stieg während der langen Fahrt nie aus, bekam jedoch immer Tee in den Bus gebracht.

Bei anbrechender Morgendämmerung hofften wir vermutlich alle, in höchstens zwei Stunden am Ziel zu sein. Um sieben Uhr sollte wir im Busbahnhof von Rawalpindi eintreffen. Aber wir freuten uns zu früh, denn auf einmal gab es einen fürchterlichen Knall. Alle schreckten auf. Es war keine Karambolage, es hatte sich angehört, als hätte jemand einen Stein gegen die Karosserie geschleudert. Der Fahrer bremste, hielt an und stellte den Motor ab (was er bei den Zwischenhalten nicht getan hatte). Vorerst bekamen wir nicht mit, was die Ursache für den Knall gewesen war. Der zweite Chauffeur schlief weiter, während sein Kollege ausstieg und sich kurz darauf draussen auf dem Boden setzte. Im Bus herrschte Aufregung; niemand schien sich einen Reim auf das Ganze machen zu können. Nach einer Stunde setzte sich der andere Fahrer – er war inzwischen erwacht und hatte sich mit seinem Kollegen beraten – ans Steuer und fuhr den Bus im Schritttempo bis zum nahen Dorf. Erst jetzt wurden wir informiert: Die Aufhängung einer Blattfeder der Hinterachse war gebrochen. An ein Weiterfahren war nicht zu denken. Da ich keine Eile hatte, war ich nur neugierig, wann und wie man uns weiterbefördern würde. Irgendwann musste ein Ersatzbus eintreffen. Es gab allerdings keine Möglichkeit, telefonisch Hilfe anzufordern. Einzelne Fahrgäste reagierten inzwischen ungehalten, aber die Chauffeure blieben ruhig. Wie wenn das Ereignis für sie alltäglich wäre.

Die Chauffeure zweier Busse bereiten die neue Blattfeder für den Einbau vor. Der Mann im blauen Hemd ist der Hauptfahrer unseres Busses.
Die Chauffeure zweier Busse bereiten die neue Blattfeder für den Einbau vor. Der Mann im blauen Hemd ist der Hauptfahrer unseres Busses.

Wenig später stoppte ein Bus, der in die gleiche Richtung fuhr. Wer kein Gepäck auf dem Dach mitführte, konnte umsteigen. Wir Zurückbleibenden verfolgten in den nächsten Stunden eine respektable Self-made-Reparatur mit. Es war eine Arbeit, geprägt von Effizienz und Ökonomie. Mit einfachstem Werkzeug, hauptsächlich Gabelschlüsseln, bauten die Fahrer die Blattfeder aus, demontierten die Aufhängung und holten vom Dach Ersatzteile. Tatsächlich hatten sie nicht nur eine Werkzeugkiste dabei, sondern beförderten auf dem Dachträger auch sämtliche Teile einer Blattfeder. Während sie arbeiteten, holte uns der nachfolgende Bus von Mashabrum Tours ein. Ab jetzt zogen sie die Sache zu viert durch. Die ganze Zeit über standen zwischen Werkzeugen und Ersatzteilen auch Teetassen, in die immer wieder nachgeschenkt wurde. Etwa eineinhalb Stunden später war die neu zusammengebaute Feder montiert, der Bus wieder fahrbereit.

Wir erreichten schliesslich gegen Mittag, knapp fünf Stunden später als vorgesehen, den Busterminal Pir Wadhai. Einige Kilometer vor der Stadtgrenze hatte es einen weiteren unfreiwilligen Zwischenhalt gegeben. Ein Polizeifahrzeug hatte den Bus gestoppt. Uniformierte stiegen aufs Dach, untersuchten die Ladung und konfiszierten die grossen Säcke. Weder die Fahrer noch wir Passagiere wurden behelligt. Einer der Polizisten kam zwar den Sitzreihen entlang und musterte uns, aber niemand musste sich ausweisen. Vermutlich hatte keiner der Passagiere mit den Säcken etwas zu tun. Es schien eher so, dass die Beamten Kenntnis hatten von illegalem Transportgut darin.

Da war ich also wieder zurück am Ausgangsort. Auf dem Dach des Busses fand ich meine Taschen schnell, und man half mir, das Velo herunterzunehmen. Wenig später war alles aufgepackt, und ich fuhr los. Beim Mittagsverkehr und einer Temperatur von über 40 Grad war ich froh, nur bis Fawara Chowk – dort kreuzen sich sechs Strassen – fahren zu müssen. Ich wollte hier im Al-Falah Hotel einchecken. (Wie man sich da den Verkehr vorzustellen hat, kann man leicht auf einem YouTube-Filmchen über den Fawara Chowk anschauen. Es war damals nicht anders als heute.) Meine Wahl war auf dieses Hotel gefallen, weil es nicht weit vom Busterminal entfernt war und weil im Reisebuch von hübschen Einzel- und Doppelzimmern die Rede war. Nach 20-stündigem Fahren und Warten wollte ich nicht nur möglichst rasch etwas essen, sondern danach auch ein paar Stunden schlafen. Das Einzelzimmer, das ich bekam, war jedoch alles andere als ‚hübsch‘; es war exakt so lang wie das Bett und so breit, dass ich zwischen Wand und Bett gerade noch das Rad hineinquetschen konnte. Ich befand mich in einem fensterlosen Raum ohne Waschbecken und Toilette. Der Etagen-Waschraum war kaum grösser als eine Duschtasse. Schockierend primitiv. Aber ich hatte nun Velo und Gepäck in den 2. Stock hinauf geschleppt, weil ich beides nicht unbeaufsichtigt hatte stehen lassen wollen. Sollte ich alles wieder hinuntertragen, mich erneut ins Verkehrsgewühl wagen und ein anderes Hotel suchen? Ich entschied mich fürs Bleiben, aber nur, weil ich im Moment meine Sachen hier einschliessen konnte. Ich nahm den Rucksack, verliess das Al-Falah und suchte eine Telefon-Vermittlungsstelle. In Islamabad sollte ich ja noch das Flugticket umdatieren lassen. Der Anruf klappte, das Büro sei geöffnet, ich musste nur noch hinfahren. Vorerst verwickelte mich der Mann des Telefonbüros aber in ein Gespräch. Für den Anruf nahm er kein Geld, und er liess sogar eine Coke für mich holen. Er sei aus Kaschmir, erzählte er, und wolle möglichst bald in seine Heimat zurück. Als ich ihm sagte, ursprünglich hätte ich dorthin fahren wollen, bat er mich fast schon eindringlich, später wieder nach Pakistan zu kommen und ihn in seinem Dorf zu besuchen.

Ins 15 km entfernte Islamabad fuhren Minibusse – Rawalpindi und Islamabad sind Schwesterstädte. Den richtigen fand ich, weil mir ein westlich gekleideter Mann Auskunft gab. Er anerbot sich, mich zur genannten Adresse zu begleiten. Auch er fahre nach Islamabad. Er setzte sich in denselben Suzuki wie ich, hiess mich nach 20-minütiger Fahrt aussteigen und begleitete mich bis zum Gebäude, worin die Fluggesellschaft ihr Büro hatte. Eine andere Absicht, als mich sicher ans Ziel zu führen, hatte er nicht. Er verabschiedete sich mit sorgfältiger Höflichkeit. Kaum zehn Minuten später hatte ich den Aufkleber auf dem Flugticket und stand wieder auf der Strasse. Ich befand mich in einer im Vergleich zum 15 km entfernten Rawalpindi komplett anderen Umgebung. Modernere Gebäude, breite Strassen, Parkanlagen und kaum Verkehr. Und das in der Hauptstadt!

Islamabad (Wortsinn: Wohnsitz des Islam) ist eine neu gegründete Stadt; die Grundsteinlegung erfolgte 1959. Nach der Unabhängigkeit Pakistans 1947 war Karachi die Hauptstadt. Weil er befürchtete, künftige Investitionen würden sich in und um Karachi konzentrieren, entschloss sich der damalige Präsident, in unmittelbarer Umgebung von Rawalpindi eine neue Stadt bauen zu lassen. Bis es soweit war, machte man Rawalpindi zur provisorischen Hauptstadt, was auch dieser Stadt starkes Wachstum brachte. (Erst zu Beginn der 80er-Jahre wurde Islamabad Hauptstadt; wegen Geldmangels war die designierte Hauptstadt nur langsam gewachsen. Um 1980 lebten dort erst 250‘000 Menschen.)

Die Lage am Rande der Ausläufer des Himalaja bietet klimatische Vorteile. Trotz der geringen Entfernung von Rawalpindi herrschen hier moderate Temperaturen. Dass man künstliche Seen anlegte und für viele Grünflächen (auch Parks) sorgte, verstärkte den Unterschied zusätzlich. Heute leben gut eine Million Menschen in der Hauptstadt; das sind halb so viele wie in der Schwesterstadt. Diese hat auch wirtschaftlich noch immer die grössere Bedeutung. Im Lebensqualitäts-Ranking steht Pakistans Hauptstadt nach wie vor weit hinter westlichen und asiatischen Städten, aber deutlich vor landeseigenen wie Karachi oder Lahore.

Ich blieb den Nachmittag lang in Islamabad. Die Mischung aus moderner, westlich geprägter und traditioneller Architektur veranlasste mich, das Geschäftsviertel zu durchwandern. Vom Schlafmanko spürte ich noch nichts, aber ich hatte Hunger und setzte mich deshalb in den Garten eines Restaurants. Ich bekam in Teigtaschen gebackene Kartoffeln mit süss-saurem Dip. Der Wirt brachte mir nach dem Essen wie üblich Tee. Das Gespräch aufnehmend, begann er von einem Ort namens Murree zu schwärmen. Dort müsse ich unbedingt hin.13 Über Murree hatte ich auch im Reisebuch gelesen. Mit dem Velo hinzufahren fühlte ich mich nicht mehr frisch genug. Zur Hitze kamen die Distanz von zwei Autostunden und die Höhendifferenz von 1800 m hinzu. Und auch nach längeren Busfahrten hatte ich wenig Lust. Ich liess es dem Wirt gegenüber offen, ob ich seinen Tipp befolgen würde. Kaum wieder unterwegs, stoppte neben mir ein Motorradfahrer. Wohin ich wolle, respektive ob er mir den Weg zeigen solle. Hilfe brauchte ich keine, aber wir plauderten miteinander. (Dass viele Pakistaner unendlich viel Zeit hatten, beobachtete ich bei dieser Gelegenheit ein weiteres Mal.) Am Ende gab er mir seine Visitenkarte. Darauf standen Namen und Adresse sowie eine Telefonnummer. Im Vergleich zu den Dörfern in Gilgit-Baltistan, wo es oft keinen einzigen Telefonanschluss gab, gehörten private Anschlüsse in der Hauptstadt anscheinend zum Standard. Der Mann forderte mich auf, anzurufen; er wolle sich mit mir treffen. Ähnliche Begegnungen machte ich einige während der drei Tage in Islamabad und Rawalpindi. Die Motivation der Leute bestand vermutlich hauptsächlich darin, mit jemandem aus dem Westen in Kontakt zu kommen. Ich empfand das selten als lästig; die Männer verhielten sich ausgesprochen höflich. Bedrängt fühlte ich mich nie. Dass ich häufig angesprochen wurde, empfand ich eher als Zeichen von Gastfreundschaft.

Im Viertel, wo ich unterwegs war, bestätigte sich der Ersteindruck. Ich beobachtete vieles, das westlichen Standards zumindest ähnlichsah, aber es war nicht zu übersehen, dass die Umgebung der Neubauten einheimischer Unternehmen wenig bis gar nicht gepflegt wurde. Japanische oder europäische Firmen, so dünkte es mich, sorgten auch für eine saubere Umgebung ihrer Niederlassung. Öffentliche Grünanlagen und Parks wirkten dagegen vernachlässigt. Ob es Schlendrian war oder ob das Geld für Unterhalt und Strassenreinigung fehlte? Wirklich schmutzig war es nirgends, aber es drängte sich einem die Bemerkung auf: Kaum gebaut und schon verlottert.

Bevor ich am späten Nachmittag wieder in einen Suzuki nach Rawalpindi setzte, verhielt ich mich bezüglich Essen erstmals fahrlässig. In einem Imbissstand gab’s frisch zubereitete Pommes frites. Ich kaufte eine Tüte und liess mir auch ein Getränk einschenken. Die frittierten Kartoffeln waren gut, aber nicht so knusprig wie erhofft. Vom Getränk probierte ich einen Schluck und schüttete vorsichtshalber den Rest weg.

Da das Schlafmanko sich nun doch bemerkbar machte, fuhr ich schon bald nach Rawalpindi zurück. Ich war entschlossen, am anderen Morgen in ein komfortableres Hotel zu wechseln, wollte die kommende Nacht jedoch im Al-Falah durchzustehen versuchen. Das hiess, in stickiger Luft einen lärmenden Deckenventilator zu ertragen. Und nicht nur das: Ich stellte fest, dass durch mein Zimmer eine Ameisenstrasse führte. Die eine Wand hoch, quer über die Decke zeigte sich ein schwarzer Streifen, eine Endlos-Karawane kleinster Insekten. Immerhin belästigten sie mich nicht.

Irgendwie brachte ich die Nacht hinter mich. Morgens um sieben checkte ich aus, und schon eine halbe Stunde später hatte ich ein Zimmer im New Kamran Hotel. Der Unterschied war wie Nacht und Tag. Hier bekam ich ein geräumiges Doppelzimmer. Zwar ebenfalls ohne Klimaanlage, aber mit Bad. Ich konnte jederzeit duschen. Weil ich noch immer unausgeschlafen war, legte ich mich gleich nochmals hin.

Stunden später sass ich in der Cafeteria des Pearl Continental, des teuersten Hotels am Platz. Im Reisebuch wurde es als „Rawalpini’s primo hotel; for the price of a night there you could stay in the bazaar for a month” geschildert. Ich war mit dem Velo hergefahren. Auf die Frage, wo ich eine E-Mail verschicken könne, hatte man mir im Hotel das Pearl Continental empfohlen. Sie hätten da Internet. Ohne eingecheckt zu sein, könne man dort den PC benutzen. Vor dem Eingangsportal stand ein hünenhafter Uniformierter mit gezwirbeltem Schnurrbart. Von der Statur her der geborene Türhüter. Auch in der Rolle des Tambourmajors in Büchners «Woyzeck» hätte er sich von der Physis her gut gemacht. Seine Operettenuniform signalisierte allerdings eher Zirkus- als Tragödienatmosphäre. Ob er mich – mit Jeans und T-Shirt bekleidet – reinlassen würde? Mit einem Augenzwinkern hiess er mich durch. Wenig später sass ich am PC und schrieb eine ausführliche Botschaft an die Familie. Der Mann an der Rezeption hatte erklärt, ich könne beliebig viel Zeit am Computer verbringen, bezahlen müsse ich bloss für jede abgeschickte Message, nämlich 100 Rial. An der Kasse stand dann eine Frau. Da sie von mir das Zweieinhalbfache verlangte, zögerte ich einen Moment. Die kurze Diskussion mit ihr wurde vom Mann, der mich zum PC begleitet hatte, Augenblicke später beendet. Es blieb beim abgemachten Preis. Der Mann sicherte mir auch zu, eine allenfalls für mich eintreffende Mail auszudrucken. Ich könne an der Rezeption jederzeit danach fragen.

Bemerkenswerter als das Missverständnis war die Tatsache, dass dies meine erste verbale Kommunikation mit einer Pakistanerin gewesen war. Die Innenwelt des Hotels kam mir vor wie ein exterritorialer Bereich. Es galten andere Regeln. Die Frau war mit ihrem weitem Gewand und mit Kopftuch zwar wie eine Muslimin gekleidet, zeigte aber nichts von der Scheu, die ich bei den Frauen in den Dörfern entlang des KKH beobachtet hatte. (Man vergleiche dazu die Schilderung weiter oben unter dem Stichwort «Chalt».) Auch unter den Hotelgästen sah ich in der Folge einheimische Frauen. Sie gehörten ausnahmslos einer sozialen Schicht an, für die die strengen Verhaltensregeln nicht zu gelten schienen. Zumindest nicht in der Lobby des Top End Hotels. Sie waren nicht nur modisch gekleidet, sondern kommunizierten untereinander mit offenem Blick.

Nachdem ich die Mail abgeschickt hatte, setzte ich mich in die Cafeteria und studierte zuallererst die Dessertkarte. Darauf fand sich Westlich-Klassisches, auch Coupes (in Deutschland Eisbecher genannt) wie Bananensplit. Einen solchen glaubte ich mir verdient zu haben. Aber ich war auch neugierig. Bei uns hatten den klassischen Coupes schon längst anderen Kreationen den Rang abgelaufen. Jedenfalls war es Jahre her, dass ich einen Bananensplit gegessen hatte. Was ich nun bekam, entsprach sowohl visuell als auch geschmacklich den Erwartungen. Ausser dass das Eis eine Spur zu angetaut war.

Ab jetzt nutzte ich im Pearl Continental neben der Kommunikations-Infrastruktur auch das gastronomische Angebot. In der Regel setzte ich mich nach dem Essen in die mit Ledersesseln und -sofas ausgestatteten Lobby. Dort konnte ich ungestört und bei angenehmer Temperatur lesen und schreiben, aber auch einen Eindruck gewinnen von der hier verkehrenden pakistanischen Oberschicht sowie der internationalen Klientel. Sprösslinge reicher pakistanischer Familien spielten zum Beispiel Tennis, wie es Kleidung und Ausrüstung einzelner Jugendlicher erkennen liessen.

Der Rest ist schnell erzählt. Am Samstagvormittag erkundete ich mit dem Velo den Weg vom Kamran Hotel zum Flughafen. Ich wollte mir die Strecke einprägen, denn ich musste sie kurz nach Mitternacht befahren. (Zwischen drei und vier Uhr in der Früh sollte der Flieger starten.) Es waren kaum mehr als sechs, sieben Kilometer, aber ab der Stadtgrenze fehlte die Beleuchtung. In der Stadt machte ich noch ein paar Einkäufe, packte früh die Taschen, ass abends ein letztes Mal im Pearl Continental – mit einer Stange (alkoholfreiem) Panache als Getränk! So richtig geniessen konnte ich weder das Essen noch das Panache. Ich hatte seit 24 Stunden Durchfall. Ob ich mir in Islamabad mit dem einen Schluck des offen ausgeschenkten Softdrinks den Magen verdorben hatte? Oder verursachte der tags zuvor genossene Bananensplit das Magen-Darm-Rumoren? Wie auch immer, ich war froh, dass mir das auf der Reise nicht so drastisch widerfahren war.

Obwohl ich um eins in der Früh losfahren wollte, legte ich mich für ein paar Stunden hin. Um 23 Uhr riss mich ein Telefonanruf aus dem Schlaf. Der Rezeptionist teilte mir die Uhrzeit mit. Neunzig Minuten später hätte es auch noch gereicht, aber die Mühe, die man sich hier gab, tröstete über den kurzen Ärger hinweg. – Später, unterwegs zum Flughafen, war ich nach ein paar Kilometern auf unbeleuchteter Strasse plötzlich unsicher, ob ich auf dem richtigen Weg war, konnte aber kurz danach bei einem Checkpoint fragen. Ja, ich sei auf der richtigen Strasse, das Ziel sei nahe. In der Tat bekam ich, kaum wieder auf dem Rad, mit den Lichtern des Flughafens Orientierungspunkte.

Vor dem Einchecken waren Gepäckträgertaschen, Zelt und Schlafsack in meinen grossen Nylonbag zu verstauen, am Velo den Lenker bündig zum Rahmen zu drehen, Luft aus den Reifen zu lassen und der SBB-Velosack übers Fahrrad zu stülpen. (Den hatte ich die ganze Reise über kleingefaltet dabeigehabt. Gibt’s heute nicht mehr, und er würde von den Fluggesellschaften als Veloverpackung auch nicht mehr akzeptiert.) Vor dem Um- und Einpacken widerfuhr mir ein Missgeschick. Als ich die enge Schleuse zur Abfertigungs-Halle passierte, hängte der eine Haken der Gummispinne in einer Hinterrad-Speiche ein, so dass sich der Gummi zwischen Kette und Speichen aufwickelte. Ein Mann half mir, das Rad zurückzudrehen, bis ich den Gummi wieder von der Speiche lösen konnte. Beide standen wir nun mit schmutzigen Händen da. Allah sei Dank – auch der Helfer blieb gelassen.

Als Velo und Gepäck übergeben waren und ich selbst eingecheckt hatte, löste sich die Anspannung. Endlich konnte ich im Warteraum Platz zu nehmen. Dort traute ich meinen Augen nicht: Petra und Achim aus Köln warteten auf den gleichen Flieger!14 Als wir uns begrüsst hatten, erzählten sie, wie es ihnen seit Kashgar ergangen war.

Die Maschine von Emirates auf dem Flughafen von Rawalpindi; 13. Juni 1999.
Die Maschine von Emirates auf dem Flughafen von Rawalpindi; 13. Juni 1999.

Ich habe über den ersten Teil ihrer in Tashkurgan beginnenden Hundebiss-Geschichte im Kashgar-Kapitel und im Kapitel davor berichtet. Hier nun die Fortsetzung: Achim bekam am 31. Mai im Kashgaer Spital die erste Tollwut-Impfung. Man empfahl ihm, nun so schnell wie möglich zurück nach Gilgit zu reisen, um sich dort die nächste Injektion spritzen zu lassen. (Seine und Petras Absicht war es ohnehin, an einem der nächsten Tage über den Khunjerab nach Pakistan zurückzukehren.) Sie machten sich einen Tag nach mir auf den Rückweg. Wegen einer Panne schaffte es ihr Bus aber nur bis zum Karakol-See. Achim und Petra ergatterten daraufhin einen Platz in einem Lastwagen. Auch diese Fahrt blieb nicht ohne Zwischenfälle. In der Nähe des Ortes, wo der Hundebiss stattgefunden hatte, hätten Unfallfahrzeuge die Strasse blockiert. Der Lastwagenfahrer habe auf einem schmalen Wegstück die Blockade zu umfahren versucht – und dabei eine Stromleitung niedergerissen … Nach schier endlosen Unterbrüchen erreichten sie schliesslich Gilgit, um im dortigen Spital zu erfahren, der vor Ort verwendete Impfstoff sei mit dem chinesischen nicht kompatibel. Eine postexpositionelle Immunisierung sei, wenn überhaupt, nur noch in Islamabad möglich. Mit der Impfserie müsse dort jedoch neu begonnen werden.15 Um nicht weitere Zeit verlieren, flogen die beiden mit einer kleinen Propellermaschine nach Rawalpindi. – Das einzig Positive sei, meinte Achim rückblickend, dass er in Gilgit sehr professionell informiert und in Islamabad medizinisch ebenso gut versorgt worden sei. (Das Spital Gilgit hatte die notwendigen Informationen dorthin durchgegeben.)

Und nun warteten sie auf den Flug nach Dubai, um von dort nach Deutschland weiterzufliegen und in einem Kölner Spital die nächste Injektion zu bekommen. Beide wirkten äusserlich ruhig, waren von den zurückliegenden Ereignissen aber mitgenommen. In Dubai trennten sich unsere Wege.

Immerhin, statistisch gesehen war es unwahrscheinlich, dass der junge Deutsche sich mit dem Tollwuterreger infiziert hatte. Aber es folgte eine Zeit der Ungewissheit. Wenn mit der Impfserie zu spät begonnen wird, vergehen Jahre, bis man Gewissheit hat, dass keine Infektion vorlag oder die Impfung erfolgreich war.

Im Vergleich zu den zwei jungen Deutschen kam ich mit meinem Magen-Darm-Rumoren gut weg. Mich störte vor allem, dass ich die Mahlzeiten, die zwischen Rawalpindi und Dubai und in der Folge bis nach Zürich serviert wurden, nicht geniessen konnte. (Zum Beispiel Lachs mit einer besonderen Art von Kartoffelstock; Salat mit Radieschen, Gurken, Peperoni und Oliven an einer spanischen Sauce; Strudel mit Vanillesauce; Weisswein.) Mehr als ein paar wenige Bissen nahm ich jeweils nicht zu mir.

In Zürich-Kloten erwarteten mich meine Frau und Zeno, der jüngste Sohn. Auch ich wirkte auf sie, wie sie sagten, etwas mitgenommen. Tatsächlich entpuppte sich die Magen-Darm-Sache als Magenschleimhautentzündung bzw. -ablösung. Ich musste ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Das Hauptübel bestand aber letztlich bloss darin, dass ich ständig hungrig war, während zwei Wochen aber nur kleinste Mengen Nahrung zu mir nehmen konnte.

Eine Individualreise, wie die geschilderte, birgt viel Unvorhersehbares. Etwas vom Wichtigsten scheint mir zu sein, sich physisch und psychisch vorzubereiten. Der Reiseverlauf lässt sich nur grob planen. Das ist gut so, denn es lässt unterwegs situationsbedingte spontane Entscheide zu, und es führt regelmässig zu überraschenden Begegnungen mit Menschen. Und man kommuniziert nach aussen. Sowohl auf der Reise selbst als auch später im Rückblick war ich froh, das Unternehmen gewagt zu haben. Ich hätte sie zu keinem Zeitpunkt gegen eine organisierte Gruppenreise austauschen wollen. Allerdings brachten die späteren Velo-Reisen zu zweit mit jeweils einem der Söhne zusätzliche Qualitäten. Ich lernte beide besser kennen, und ich war nie einsam.


  1. Ausser den Betonbrücken, auf denen man auf dem KKH die Flüsse überquert, waren damals viele auch mit Fahrzeugen befahrbare Brücken als Hängebrücken konstruiert. Länger als 30 m waren sie jedoch nie. ↩︎

  2. Auf Google Earth sieht man, dass heute zwei Strassen das Tal hinaufführen. ↩︎

  3. Vgl. das Kapitel „Kashgar“. ↩︎

  4. Tom Patey (1932 – 1970) war einer der führenden schottischen Bergsteiger seiner Zeit. Bewundert wurde er aber auch für seiner Lieder und Gedichte. Beruflich war er praktizierende. Hausarzt. Beim Abseilen von einem Brandungspfeiler vor der Küste Sutherlands verunfallte er später tödlich. ↩︎

  5. Quelle: www.independent.co.uk. (Artikel vom 20.02.2013.) ↩︎

  6. Die Website des Diran Guest House zeigt, dass es der damaligen Krise trotzte. Das erweiterte oder neu gebaute Haus verfügt nach wie vor über den prächtigen Garten. An Gästen scheint es nicht zu mangeln. ↩︎

  7. Dass solches Verhalten keineswegs repräsentativ ist für Musliminnen, erlebten mein Sohn und ich vier Jahre später auf einer Veloreise durch den Iran. Iranerinnen trugen zwar Hijab-Kleider, zeigten aber selten Scheu vor Fremdem, im Gegenteil, sie ergriffen öfters selbst die Initiative, mit uns in Kontakt zu kommen. (Vgl. den Reisebericht „Iran“ – Untertitel „Tabriz“.) ↩︎

  8. Zit. Im „Tages Anzeiger“ (TA) vom 02.11.2018. ↩︎

  9. Da das Oberste Gericht das letzte Wort bereits gesprochen hatte, war dieses Zugeständnis juristisch unhaltbar. ↩︎

  10. TA vom 05.11.2018. ↩︎

  11. Offiziell befand sich Pakistan ja nicht im Krieg; man behauptete weiterhin, für die Vorgänge im Grenzgebiet nicht verantwortlich zu sein (siehe oben; Kargil-Krieg). ↩︎

  12. Der Name leitet sich ab von Masherbrum, dem mit 7821 m hohen und damit siebthöchsten Berg im Karakorum. Er liegt in Gilgit-Baltistan. ↩︎

  13. Die Kleinstadt Murree liegt zwei Autostunden von Islamabad entfernt und 1800 m höher als die Hauptstadt. Sie ist eine der touristisch meistfrequentierten Orte im nördlichen Pakistan. ↩︎

  14. Vgl. unter anderen das Kapitel „Kashgar“. ↩︎

  15. Gemäss heutigen (2018) Internetrecherchen muss eine postexpositionelle Impfung spätestens 24 Stunden nach dem Biss beginnen. Hier vergingen zwischen dem Ereignis und der Impfung in Islamabad mehr als zwei Wochen. ↩︎