Enttäuschte Erwartungen: Rosalia Heimen aus Grengiols

12. Mai 2021

Den Briefen von Rosalia Heimen schicke ich eine Kurzfassung der Geschichte der Familie Heimen voraus.1 Rosalia Heimen, 1878 in Grengiols geboren, war die Tochter von Alois Heimen und Sophie Eder. Die kinderreiche Familie wohnte im Weiler Nussbaum. Im Elternhaus wurde viel musiziert. Ein undatiertes Foto der Familien Heimen und Perren zeigt Vater Alois mit Geige und die Tochter Rosalia am Hackbrett.

Gemäss mündlicher Überlieferung erreichte Rosalia als Hackbrettspielerin beachtliches Niveau. Auch ihre Schwester Josephine musizierte. Sie heiratete 1908 Alexander Walpen, der zwei Jahre später als Melker nach Kalifornien ging und bis 1919 von dort aus den Lebensunterhalt für die in Grengiols gebliebene Familie bestritt. Josephine gebar 1909 das erste und in Abwesenheit des Mannes ein Jahr später das zweite Kind, Adolf und Josef, und bewirtschaftete dort derweil das bescheidene Bauerngut. Bei seiner Rückkehr waren die Söhne bereits 10- bzw. 9-jährig. Den jüngeren sah er überhaupt zum ersten Mal. Die zwei Brüder wurden später bekannte Volksmusiker. Josef spielte Klarinette und weitere Instrumente, Adolf war ein virtuoser Hackbrettspieler. Das erste Instrument bekam er von seiner Tante Rosalia geschenkt. Mit Musikern aus Naters gründeten die beiden 1956 die Formation «Oberwalliser Spillit».2 Ihre Spezialität war das vierhändige Hackbrettspiel.

Rosalia Heimen wandert 1912 mit ihrem Mann Daniel Ritz und dem ausserehelich geborenen Sohn Anton vorerst nach San Jerónimo Norte aus. Als Mutter eines ‘unehelichen’ Kindes ist sie sozial zurückgestuft. Daran ändern auch ihr familiärer Hintergrund und ihre musikalischen Fähigkeiten nichts. Es ist sogar davon auszugehen, dass die Familie ihren Wegzug begrüsst. Da das Ehepaar das Reisegeld nicht selbst aufbringen kann, muss es bei nahen Verwandten Geld ausleihen. Wie aus einem von Rosalias Briefen zu entnehmen ist, wurde der Auswanderungsentscheid von Alexander Perren, einem in der Kolonie Esperanza lebenden ehemaligen Grengjer, zumindest mitbeeinflusst. Er scheint die Chancen für Migranten in ein rosiges Licht gerückt zu haben. Dabei gab es für Zuwanderer, zumindest für solche aus der Unterschicht, schon seit über zwei Jahrzehnten keine Möglichkeiten mehr, eigenes Land zu erwerben und so mittelfristig sozial aufzusteigen. Auch nicht in den Kolonien rings um SJN herum. Das notwendige Kapital hätte den Spätauswanderern ohnehin gefehlt.

Die Familien Heimen und Perren im Weiler Nussbaum (Grengiols). Vorne links Mutter Sophie Heimen-Eder, Vater Alois mit Geige. Am Hackbrett ihre Tochter Rosalia. Eine der beiden Frauen ganz oben ist ihre Schwester Josephine. Vorne rechts das Ehepaar Perren mit den drei Brüdern von Rosalia und Josephine, Quirin, Ignaz und Hans.
Die Familien Heimen und Perren im Weiler Nussbaum (Grengiols). Vorne links Mutter Sophie Heimen-Eder, Vater Alois mit Geige. Am Hackbrett ihre Tochter Rosalia. Eine der beiden Frauen ganz oben ist ihre Schwester Josephine. Vorne rechts das Ehepaar Perren mit den drei Brüdern von Rosalia und Josephine, Quirin, Ignaz und Hans.

Rosalia, Daniel und Anton kommen nahezu mittellos nach Argentinien. Im Gegensatz zu früheren Migranten reisen sie mit einem Minimum an Gepäck; sie haben weder eine grössere Anzahl Kleidungsstücke dabei noch Gegenstände für den Haushalt.

Was den vorhandenen Briefbestand betrifft, so sind von Rosalia Heimen vier unvollständige Briefe sowie ein paar wenige Einzelzeilen überliefert. Ausserdem ein Brief von Daniel Ritz vom April 1914 und zwei kurze Briefe von Anton aus den Jahren 1919 und 1920. Rosalias vermutlich erster Brief dürfte kurz nach der Ankunft im Frühling des Jahres 1912 geschrieben worden sein. Er enthält zur Hauptsache positive Botschaften. Besonders die Begegnung mit den beiden ehemaligen Grengjern Auxilius Perren und Elias Ambord – auf sie werden wir später ausführlich eingehen - weckt bei ihr eine gewisse Zuversicht. Mit Auxilius Perren, schreibt sie, habe sie hier den besten Freund gefunden. Er habe einen fünfstündigen Weg auf sich genommen, um sie zu treffen und zu fragen, ob er ihren Sohn Anton zu sich auf den Hof nehmen dürfe. (Er bringt ihr später auch eine Fuhre Brennholz.) Inzwischen befindet sich Anton bereits vier Monate bei Perrens, zu offensichtlich beiderseitiger Zufriedenheit. Er werde von Auxilius und Maria Perren – das Ehepaar hat sechs Töchter und einen Sohn – wie ein eigener Sohn behandelt. Bei Auxilius wenig erstaunlich, denn sein 18-jähriger Sohn zeigt anscheinend wenig Interesse für die Landwirtschaft. Anton dagegen – er dürfte 1912 höchstens 15- oder 16-jährig sein – ist nach kurzer Zeit als Reiter schon so geübt, dass er auf dem Ross über 900 Stück Vieh zusammentreiben / morgens und Abends melken kann. Auch fahre er die Maschinen, schneidet Weizen u. Klee. Wenn der Meister ihn fragt / warum er so braf / so fleissig sei, sage er immer / ich will auch einmal reich werden u. zurück zu meinen Kammeraden ziehen. Noch über buchstäblich wenig Sitzleder verfügend, wuchsen ihm grosse Geschwüre in den A[r]schbaggen vom Reiten u. [sind] dann ausgebrochen / das wir haben zum Doktor müssen. Das hat uns 15 Taler gekostet / dieser hat gesagt / das sei noch erfrorenes Blut von Europa / aber [er] ist täglich aufgestanden u. [hat] sich nicht geklagt [beklagt] / wenn ihm das Eiter zu den Hosen auskam / 3 Tage nachher ist er wider Sattel gefahren / das mir die Haare sträubten vor Angst (...)

Neben dem bescheidenen Lohn, den er von Auxilius Perren erhält, bringt er der Mutter einmal auch ein Geldgeschenk von Elias Ambord mit. – Bis zu diesem Zeitpunkt erfährt Rosalia Heimen Hilfsbereitschaft von Leuten, die viel früher aus Grengiols ausgewandert und in SJN wohlhabend geworden sind.

Dass die Mutter derart freudig, ja stolz über ihren Sohn schreibt, überrascht nicht. Ihn am neuen Ort aufblühen zu sehen, ist ein Lichtblick in der sonst schwierigen Zeit. Sie und ihr Mann wohnen in einer Behausung, wie sie die Pioniersiedler unmittelbar nach ihrer Ankunft gebaut hatten und inzwischen längst nicht mehr nutzen. Auch die Hitze ist ungewohnt, und vor Ungeziefer bietet ihr Hüttlein kaum Schutz. Man dürfe auch nicht mit blossen Füssen auf die Strasse [gehen], denn da gebe es massenhaft Krotten / Heitochsen [Eidechsen] / Schlangen. Besonders ein Graus sind für sie die Spinnen, von denen manche so gross seien wie eine Suppenschüssel und sehr giftig. Um sie zu verderben, müsse man ihnen einen Kessel voll siedendes Wasser anwerfen.

Im Brief erfährt man auch, wer ihnen für die Reise Geld vorgestreckt hat. César Ritz3 könnten sie die 600 Franken erst ums Neujahr zurücksenden. 200 müssten sie noch der alten Mutter in Turtmann schicken. Das pressiere.4 Die Briefadressaten dagegen – zweifellos Rosalias Eltern – sollten sich noch gedulden, da sie momentan noch vieles kaufen müssten, wenn man nicht ein eigener Löffel hat u. bald keine Kleider mehr. Abgesehen davon seien sie zimlich gesund. Auch mit ihrem Mann ist sie zufrieden. Es kommt schon vor / da wir hier mit Wirtschaften umringt sind / hier u. da ein Glas zu trinken5 / aber sonst ist er gut mit uns / arbeitet täglich u. bringt das Geld mir zurück [!] / jetzt schafft er an der grossen Leinsaat Ernte bei Zigerling u. kommt nur am Samstag Nachts / u. nachher wieder zur Frühmesse u. an die Arbeit / es wird am Sonntag auch geschafft. Glauben Sie nicht / das hier das Geld so leicht einkommt / man muss es noch mit viel grösseren Schweisstropfen verdienen als im Wallis (...)

Wie schon angemerkt, lässt sich nicht eindeutig sagen, ob es sich beim eben paraphrasierten und kommentierten Text um den ersten der erhalten gebliebenen Briefe von Rosalia Heimen handelt. Sie, ihr Mann und Anton reisten im Jahr 1912 nach Argentinien. Der Brief wurde frühestens vier Monate nach der Ankunft geschrieben. Darin ist vom Beginn der Sommerhitze die Rede. Der Brief kann darum frühestens im Oktober 1912 oder im Jahr darauf verfasst worden sein. Wann auch immer, vom nächsten Briefe kennen wir das Datum: 25. August 1912. Er sei hier integral wiedergegeben.

St. Geronimo, den 25. August 1912

Liebe Mutter u. Geschwister u. Bekannte.

Mich langweilt [Sehnsucht haben] sehr, bis ich von Ihnen einen einzigen Brif erhalte. Habe schon mehrmals geschriben. Ich bin bis nach Esperanza auf die Post gegangen eine Tagreise von hier6 um dort ein Brif zu erhalten - war leider aber nichts. Ich muss doch noch mal probiern u. unsere Erlebnisse mitheilen. Wie ich schon geschrieben dass wir ein[en] Monat [lang] Mais gebrochen haben bei Amhert Ludwig / von dort sind wir zu der Sonhia Perren oder ihrem Mann Jean Casco [?]. dieses war eine rechte Räuberbande, dort habe ich täglich geweint bis ich endlich mit Listen den Adolf Imhoff getroffen habe u. dieser gebeten habe uns dort fortzuführen. Dieser hat es dem Franz Schalbeter gesagt u. dann ist derselbe mit seinen 5 Knechten gekommen um uns zu holen. Jetzt sind wir schon bald 2 Monat bei dem Franz Schalbetter alle drei. Hier haben wir gutes zu essen, aber auch sehr viel Arbeit den er ist sehr reich er hat 800 bis 900 Stück Vieh / hat ein dutzend Schweine u. Hüner ohne Zahl, 79 Pferd[e]. Wir haben aber bloss 25 Taler Lohn pro Monat alle drei / so dass wir bald nicht mehr Kleider haben wenn wir das Geld sparen wollen. Den es ist hier nicht alles so wie die Leute gesagt haben, das hier das essen billig ist das ist wahr - aber das hier die Leute so gut gegen einander sind / ist ganz umgekehrt, denn die Leute sind hier viel feindschäftlicher und neideischer als im Wallis.

Kein Mensch hätte uns für 5 Rp. noch geholfen ohne doppelt dafür zu arbeiten. Der Schalbetter hat oder will uns eine Melkerei überlassen von 50 - 60 Kühen aber ohne Knecht zu dingen könnten wir es nicht machen, der Daniel hat mir gesagt, ich solle dem Quirin7 schreiben, aber ich rate Ihnen dort zu bleiben. Wenn ich alt komme8 sterbe ich nicht hier. Es gefällt mir hier gut u. ist wunderschön aber wenn man nichts hat u, alles Geschir Bett u. Kleider kaufen muss / mit wenig Lohn heist es arbeiten u. nicht schlafen. Wir müssen täglich [um] 4 Uhr aufstehen den ganzen tag schaffen bis abens 10 Uhr.

Es tröstet mich nur das es das beste Mittel ist vom Trinken sich zu entwöhnen wenn mann [!] kein Geld hat. Der Daniel hat schon mehr als 2 Monat kein Tropfen mehr getrunken. Am Sonntag können wir immer zur Messe gehen u. auch beichten wenn wir wollen. Gerade heute sind wir zur Kirche gefahren für zur Messe - dann habe ich mich aber fortgeschlichen u. bin zu meinen Freunden hingegangen zum Franz Guntern von Lax u. seiner Frau. Diese kennen mich gut u. dort schreibe ich die Brife - sonst hätte ich nicht Zeit. Diese Woche habe ich sehr Langweil [Sehnsucht] von dem Anton / ich gehe nächsten Sonntag (...)

Ein Briefbogen mit dem Anschlusstext fehlt.

Ich fasse die Hauptaussagen von Rosalia Heimen zusammen: Die Frau fühlt sich alleingelassen – sowohl von etablierten Walliser Migranten (Ausnahme: die Ehepaare Perren und Guntern) als auch von ihren Familienangehörigen in Grengiols, von denen sie bis zu diesem Zeitpunkt auf mehrere Briefe keine Antwort bekommen hat. (Von SJN bis nach Esperanza sind es hin und zurück 40 km. Diesen Weg ist sie in der vergeblichen Hoffnung auf ein Lebenszeichen gegangen.) Bei einem Siedler mit Walliser Ehefrau wurden sie wie Sklaven behandelt und mussten in einer eigentlichen Befreiungsaktion von Franz Schallbetter (aus Grengiols wie sie) weggeholt werden. Um gleich in die nächste Abhängigkeitsfalle zu tappen. Schallbetter zeigt sich bloss vordergründig als Helfer. (Von ihm wird später ausführlich die Rede sein.) Zwei Erwachsene und einen Jugendlichen im Monat mit insgesamt 25 Talern bzw. Pesos zu entlöhnen, heisst, deren Notlage für die eigene Bereicherung auszunützen. (Die argentinische Währung war schon damals der Peso. Viele Migranten gebrauchten fälschlicherweise den Ausdruck ‚Taler'. Ein Peso hatte den Wert von zwei Schweizer Franken.) Auch das Angebot, eine Halbpacht mit 50 bis 60 Kühen zu übernehmen, ist nicht grosszügig, umso weniger, als die Arbeit ohne Knecht nicht zu bewältigen ist. (Wie viel vom Ertrag Schallbetter als ‚Zins' einheimsen würde, schreibt Frau Heimen nicht.) Hier sei an eine Äusserung des Pioniersiedlers Peter Arnold erinnert: Sein Hauptproblem sei, nicht alle Kühe melken zu können. Knechte bekomme man keine, so dass man Hilfe hätte. Sie wollen lieber im Wallis verreken. Eine Generation später bestätigt sich zwar seine positive Zwischenbilanz; es gibt es in den Kolonien westlich von Santa Fe viele wohlhabende und einige neureiche Migranten, aber die Behauptung, Nachzügler ohne Kapital hätten es als Knechte, Mägde, Wanderarbeiter oder Teilpächter besser als im Wallis, stimmt zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht (mehr).

Aufschlussreich ist, dass während der Erntezeit sieben Tage in der Woche täglich 18-Stunden gearbeitet werden muss. Ebenso, dass sich Rosalia Heimen aus der sonntäglichen Messe schleichen muss, um eine Möglichkeit zu haben, bei Freunden Briefe zu schreiben. Der Sonntagsmesse fernzubleiben, kommt bei den Katholiken (nicht nur im Wallis) damals einem Tabubruch gleich. Zur Erntezeit verstösst man zwar gegen das Gebot der Sonntagsruhe, aber den Messebesuch will man auch den Knechten und Mägden ermöglichen. (Ist ja auch ein willkommener Moment der Ruhe.) Allerdings halten anscheinend nicht mehr alle Walliser strikt daran fest. Nicht nur Rosalia Heimen, die den kurzen Freiraum zum Schreiben nutzt. Sondern auch das Ehepaar Guntern. Das entspricht wohl einer stillen Vereinbarung zwischen Freunden.

Es sieht für die drei Migranten wenig verheissungsvoll aus. Der nächste Brief vom 20. Dezember 1912 jedoch klingt positiv. Schon im ersten Satz: Endlich habe ich eine Nachricht von Ihnen9 erhalten, was mich sehr freute. Es folgen Worte des Trosts an die erkrankte Mutter, verbunden mit der Empfehlung, um zu gesunden, solle sie essen und trinken, was ihr wohltue. Aber wiederum wird die Rückkehr zum Thema, allerdings nicht gerade so schnell; zuerst müssten sie das Reisegeld verdienen. Nach langen trüben Tagen könnten sie sich aber einmahl glücklich schätzen:

Der Daniel hat seiner Schwester geschrieben, dass uns dass Christkind etwas zufrüh gekommen sei und eine Tochter gebracht habe noch viel schwärtzer als sie aber zu seiner Freude / jetz sei ihm keine Mühe mehr zu viel / welches wirklich wahr ist. Ein fürchterlicher Sturm hat mir der Mann u. das Kind ins Hüttlein gebracht / aber von Glück kann ich sprechen / in 2 Stunden war alles vorbei ohne Hebame u. der Daniel ist bloss 10 Minuten vorher von der Arbeit gekommen, es war ein sehr kleines Töchterlein mit 10 Ctm langem kohlschwarzen Haaren u. grauen Augen, beim taufen haben wir ihm eine weisblaue Binde in die Haar geknüpft u. die Haare gekämmt wie einem das 4 bis 5 Jahr alt war / anstatt eine Kappe. Der Herr Pfarrer habe der Kleinen lange die Haare gestreichelt u. herzlich dazu gelacht / hat [man] mir nachher beim aussegnen / welches bloss 3 tage später war / gesagt, dass er solches noch nie gesehen / da er 100 u. 100 getauft habe / viele sind gekommen nur aus Wunder die Haare zu schauen / Heissen tut es Maria Sophia.

Mit 34 Jahren hat Rosalia Heimen also ein Mädchen zur Welt gebracht. Warum leitet sie die Nachricht an die Familie indirekt, über ihren Mann und dessen Brief ein? Dass er nicht nur die Geburt, sondern das seltene Ereignis, dass ein Kind mit prächtigem Haar zur Welt kommt, seiner Schwester angezeigt hat, die ebenfalls schwarze Haare hat, empfindet sie als Lichtblick. Er hat mit der Geburtsanzeige ausserdem sein Glück mit dem Willen verknüpft, fortan motivierter zu arbeiten. Besonders aufschlussreich in ihrer Mitteilung ist die angefügte Bekräftigung: welches wirklich wahr ist. Dies nach Grengiols zu übermitteln, ist für sie wichtig. Sie hat bereits im ersten Brief die Hoffnung ausgedrückt, dass die tägliche strenge Arbeit ihrem Mann nur hie u. da ein Glas zu trinken erlaube. Man darf nicht vergessen, dass der Ruf von Rosalia Heimen als Mutter eines ausserehelichen Kindes im Oberwallis angekratzt war und sie ziemlich sicher nur noch geringe Aussicht auf eine Heirat hatte. Daniel Ritz seinerseits dürfte wegen des Alkoholproblems ebenfalls ein Aussenseiter gewesen sein. Die Ehe war für die Frau eine von Unsicherheiten geprägte Zweckgemeinschaft. Wie würden sich der halbwüchsige Anton und Daniel Ritz vertragen, und wie gross war die Gefahr, dass Ritz von der Sucht wieder eingeholt wurde? Wenn sie später im Brief notiert, wenige Tagen zuvor habe er neben Weihnachtsgeschenken auch Kleider für Anton heimgebracht; als Vater einer Tochter wolle er (nun) auch für ihn sorgen, dann lässt sie in der hoffnungsfrohen Äusserung auch Besorgnis anklingen.

Dass Leute sie im Hüttlein besuchen, um Maria Sophia mit den langen schwarzen Haaren zu bewundern, hat in der Weihnachtszeit durchaus symbolische Bedeutung; es stärkt das Selbstbewusstsein der Mutter. In der schäbigen Unterkunft hat sie das Kind ohne Hilfe einer Hebamme zur Welt gebracht. Nur dank des Sturmwindes war ihr Mann (als einziger) bei ihr. Die kommenden zwei Monaten muss sie wieder allein durchstehen, denn Daniel komme wegen der Ernte nicht mehr heim bis Ende Februar. Am Abend vor dem Abschied habe er die Tochter gearmt u. geküst und ihr am Morgen die Haare gekämmt. Kurze Glücksmomente inmitten widriger Umstände. Dazu eine weitere Stelle aus dem Brief:

Den Vinzenz Tschieder haben wir wollen für Pathe aber dieser hat sich immer geflüchtet / dass wir ihn nicht haben treffen können / er wird wohl gewusst haben / dass er uns noch in Brig 60 Fr. abgestohlen hat.10 Derg. Leute lassen wir für weiter in Ruhe u. haben den armen Korbersknaben Georg Hauser als Pate genommen u. ein armes aber sehr schönes Dienstmädchen aus dem Visperthal […]

Der nächste und zugleich letzte Brief der Rosalia Heimen wurde 13 Monate später, am 16. Januar 1914, geschrieben. Diesmal in Esperanza. Er ist wiederum unvollständig; der Schluss fehlt. Auch diesen Text veröffentlichen wir ungekürzt:

Liehe Mutter Geschwister u. Verw.

Heute langweilt mich [sehne ich mich] so sehr nach der Heimat das ich alles andere liegen lasse, um Euch zu schreiben. Wir haben das San Geronimo / die neue Walliserstad / verlassen u. sind mit Freunden zurück gekehrt nach Esperanza / dieses: ist jetzt der 11. Wohnort den wir hier bezogen haben, seit dem wir hier sind in Argentinien. Von Glück können wir dieses Jahr nicht mehr sprechen: Zuerst. ist der Daniel von einem Hunde gebissen worden u. [hat] von der Ernte zurück müssen, das er nur wenig hat verdienen können u. darauf wurde ich wieder krank / Gliederreissen oder wie man sagt fliegende Gliedersucht hat mich viele Tage bis ins Bett gebracht / der Daniel muste bei mir u. der kleinen Mari bleiben. Dann haben wir wieder der arme Anton müssen unter Fremde. lassen zu unsern Nachbarn die wir in San Carlen gehabt / 2 ledige Knaben [Junggesellen] Meinrad u. Emilio Walker. Dort war er jetzt 3 Monate u. zufrieden fröhlich u. munter. Nächste Woche hole ich ihn wieder zu uns. wir haben jetzt selbst Arbeit genug / wir haben hier in Esperanza ein Lehgut übernommen / alles um die Hälfte. 12 Stück Vieh 50 Hünner 3 Schweine ein Stück Land / essen oder fressen müssen wir alles selbst [be]sorgen u. die ganze Arbeit machen u. / was wir draus beziehen die Hälfte unserm Patron abgeben, der ist auch bei uns in der Kost / Moritz Gasser von Naters. Die Familie Perren11 sind unsere ersten Nachbarn aber ich muss es erfahren, täglich kommen sie für etwas um uns anzulügen oder zu betteln / den[n] sie müssen manchen Tag schwarzen Hunger leiden. Gestern abend ist der Alexander gekommen um Geld zu bekommen aber ich war zornig habe ihm gesagt / geh mir fort / du bist schuld das ich hier bin / du hasst mich so angelogen das ich in dieses verfluchte gottvergessene Heidenland gereist bin wo immer Plag u. Trübsal ist u. sonst nichts.

Die Heuschrecken sind dieses Jahr massenhaft ins Land gekommen so das von der Ernte nichts zu haben ist. eine schauerliche Hitze u. kein Regen. Fortograpfien kann ich für einstweilen keine senden / diese kosten hier viel zu viel / 24. Taler haben sie verlangt / das ist Schweizergeld 45 Fr. per Dutzend. Lieber wollen wir Tag u. Nacht arbeiten das Geld sparen u, geizigen / das wir in kurzen Jahren uns persöhnlich wieder sehen können. Wir hoffen das wir mit dem Alexander Walpen12 in Grengiols eintreffen können / er hat uns eine Photog. geschickt u. schreibt uns auch nach hier / was uns sehr freute. Hier ist das Fegfeuer für uns. Mein ganzes Glück meine gröste Freude ist das mein Man arbeitet / für uns sorgt u. meine Kinder liebt alle beide / die kleine Mari lernt jetz laufen u. kann schon etwas sprechen, ist spitz u. flink wie eine Katze / 4 Hündchen sind ihre Puppen.

Ein Kommentar erübrigt sich. Rosalia Heimen schreibt deutlich genug. Mit dem Satz Hier ist das Fegfeuer für uns bringt sie die Misere auf den Punkt. Drei Monate später erreicht ein weiterer Brief Rosalia Heimens Angehörige in Grengiols, verfasst diesmal von Daniel Ritz. Rosalia hat wenige Tage zuvor einen Knaben zur Welt gebracht, was der Mann aber erst gegen Ende des Briefes mitteilt: Unser kleine Quirin ist wirklich ein armer Wurm gewesen, (...) er ist gleich nach der Geburt gestorben was mir auch ziemlich Kosten verursachte.

Im Zentrum steht die Klage über ihre üble Lage. Eine Aussage gibt Rätsel auf: Wie gut es hier ist für Leute die nichts Ihr Eigen nennen können, kann Ihnen am besten Serafin Imhof erklären, mit dessen Schwester Frau Euxilius Perren wir 9 Monate waren / die uns nicht am wenigsten ausnützten. Warum gerade Serafin Imhof die Misere der Besitzlosen sollte erklären können, bleibt unbeantwortet. Über ihn und seine Frau Josefine werden wir später ausführlich berichten. Hier nur so viel: Serafin war ein erfolgreicher Kolonist, aber – soweit bekannt – keiner, der den Wohlstand anderer Hände Arbeit verdankte. Die Briefe seiner Frau Josefine werden uns Einblick geben in die Zeit nach 1920. Die Familien Imhof und Perren waren einander auch freundschaftlich verbunden. Ritz' Formulierung, sie seien von Perrens nicht am wenigsten ausgenützt worden, dürfte sprachliche Inkompetenz oder ein Schreibfehler zugrunde liegen. Wie wir zuvor gesehen haben, schrieb Rosalia Heimen, sie habe in Auxilius13 Perren ihren besten Freund gefunden. Anton arbeitete eine Zeitlang bei der Familie Perren; er wurde von ihnen wie von Mutter und Vater umsorgt. Was seinen auffallenden Arbeitseifer betraf, so wurde er von Perren nicht dazu angehalten, sondern musste vielmehr gebremst werden.

Dass Daniel Ritz statt seiner Frau den Brief schreibt, bedarf nach dem unmittelbar zurückliegenden Geschehen keiner Erklärung. Wir erfahren auch, sie leide an Rheumatismus und habe in einem fort Zahnschmerzen. Er antwortet auch auf ein Angebot, das sie anscheinend von Rosalias Bruder Quirin erhalten haben: Im Besitze deines geschätzten Briefes, dessen Inhalt uns sehr freute, jedoch ich nicht annehmen kann. Sollte ich nicht soviel verdienen / um die Reise nach Hause zu machen, dann bleibe ich lieber hier. Es kann sich nur um Geld handeln, mit dem man ihnen helfen will zurückzukommen. Die Familie Heimen hat verstanden, wie schlecht es den drei Auswanderern geht.

Dem Brief hat Quirin Heimen, wie es scheint, eine Fotografie der neuen Pfarrkirche von Grengiols beigelegt. Ritz antwortet, die Kirche gefalle ihnen und fügt hinzu, wieviel mussten Sie auf den Kopf bezahlen, wahrscheinlich sehr gesalzen. Es gibt gute Gründe für seine kritische Bemerkung. Über das von Pfarrer Gregor Mathier initiierte Bauwerk, begonnen 1910, eingeweiht 1915, wird im Zusammenhang mit der Korrespondenz von Josefine Imhof weiter unten ausführlich die Rede sein.

Dem Brief, unterschrieben mit Schwager Ritz, folgt noch ein Zusatz in anderer Schrift:

Wir komen sobald wie möglich zürück. Lebet wohl unterdess.

Dazu kam es nicht; keiner der drei Migranten sah das Wallis je wieder. Rosalia Heimen wurde ein weiteres Mal schwanger; 1915 brachte sie die 2. Tochter (Rosalia) zur Welt – und starb im Kindbett. Die beiden Mädchen kamen daraufhin in SJN zu Pflegefamilien. Im Jahr 1927 starb auch Daniel Ritz. Über sein Leben nach 1915 wissen wir fast nichts, vorhanden sind nur die vagen Angaben in einem Brief von Stiefsohn Anton Werlen (siehe unten). Es existiert zudem eine Abschrift, in der Ritz' Walliser Vermögensbestand aufgeführt wurde, und zwar 1921 von der Witwe Sofia Heimen, seiner Schwiegermutter also. Die Liste lag einem Brief von Vicente Tschieder vom Dezember 1934 bei, adressiert an Adolf Perrig, Advokat in Brig. Darin sind drei Erbansprüche aufgeführt: vom verstorbenen Vater ein Landgut in Blitzingen14, von der verstorbenen Mutter die Hälfte einer Winterfütterung für zwei Kühe [!] in Turtmann und schliesslich der dritte Teil der künftigen Erbschaft seines Onkels Anton Ritz aus Blitzingen.

Daniel Ritz dürfte weder 1921 noch in den Jahren bis zu seinem Tod von seinen Erbansprüchen Kenntnis gehabt haben. Ob seinen Töchter Maria Sophia und Rosalia der Geldwert dieser Erbschaften je ausbezahlt wurde, wissen wir nicht. Nach 1933 war Rosa die alleinige Erbin; ihre Schwester verstarb 22-jährig im November 1933 an einer Blinddarmentzündung. Von den drei Kindern der Rosalia Heimen war nur ihr ein längeres Leben beschieden. Als 68-jährige Rosalia Heimen de Ojeda schrieb sie im Jahr 1983 einen Brief an ihre Verwandten im Wallis. Dessen Inhalt kenne ich zurzeit nicht.

Was wurde aus dem Frohgemuten bzw. aus dem begeisterten Reiter Anton? Von ihm existieren, wie schon erwähnt, zwei Briefe an seine Grossmutter und die Verwandten in Grengiols. Schon der Anfang des ersten Briefes zeigt, wie schwer es ihm fällt, sein Deutsch schriftlich zu vermitteln:

Ich wolte einmal Fragen ob si mit mir Zornig sin das Ich noch kein anword erhaldn habe. ob sie mich Vergesen habe, Den ich deke Imer noch an euch. Un ich bis Jez bin Jmmer noch gesund un Ich bin bei der sager Vom Fizanz schider, un da mus Ich 30 Kühe melken un habe 50 Taller zum Monad. Bis Jez habe ich imer gude gesuheich. wen es nur Jmer so forwer ged.

Den ersten Teil versteht man gut, danach wird’s schwieriger: Gemeint ist: Ich bin beim Schwager von Vinzenz Tschieder [angestellt]; da muss ich 30 Kühe melken. Dafür bekomme ich im Monat 30 Pesos. Bis jetzt erfreue ich mich guter Gesundheit. Wenn es nur immer so vorwärts geht!

Die Unterschrift zeigt, dass sein leiblicher Vater Werlen hiess. Anton nennt sich nun Antonio Wehlen, er weiss demnach nicht, wie sein Nachname korrekt geschrieben wird. Dem zweiten Brief fügt er am Ende die Angabe hinzu, man solle bei der Anschrift nicht Heimen dra[u]ftun, sonst erhalte er den Brief nicht; korrekt heisse es Antonio Wehlen, San Geronimo Norte 5ste, Santa F, Repa. Argentina.

Anton Werlen. Die Fotografie lag dem Brief vom 30.01.1929 bei.
Anton Werlen. Die Fotografie lag dem Brief vom 30.01.1929 bei.

Zum Inhalt der beiden Briefe: Im ersten schreibt er, dass er sich nun für 300 Pesos ein Rös[s]lein gekauft habe, und bald werde er sich damit fotografieren lassen, so dass er den Verwandten ein Portrait schicken könne. Seine zwei Stiefschwestern – er schreibt Saifeseder! – seien jetzt gross, Mari gehe bereits zur Schule. Stutzig macht seine Bemerkung über die Beziehung zum Stiefvater; mit dem habe er schon zwei Jahre nicht mehr gesprochen. Im nächsten Brief – man hat ihm inzwischen aus Grengiols geantwortet –, fragt er nach einem Heimatschein. Dabei erfährt man Weiteres über Daniel Ritz. Dieser bewahre vermutlich den Heimatschein auf, aber mit ihm wolle er nicht reden. Der arbeite nur, bis er einen Peso verdient habe. Diesen trage er dann ins Wirtshaus. Ganz anders seine eigene Arbeitsmoral: Er habe den Meister gewechselt; nun melke er 60 Kühe und verdiene monatlich 80 Pesos. (Das war ein Lohn, den man wahrscheinlich nur besonders tüchtigen Knechten bezahlte.) Das versprochene und von den Verwandten gewünschte Portrait legt er tatsächlich bei. Nicht ohne zu erwähnen, dass er da nicht auf seinem eigenen Rösslein, sondern auf einem andren Perd sitze. Dass er sonst nur noch erwähnt, seine Stiefschwestern seien schon bald grösser als er, und nach den wenigen Zeilen den Brief enden lässt, entschuldigt er damit, dass er nun melken gehen müsse.

Das Einzige, was wir über ihn noch wissen, entnehme ich einer Zusammenstellung von Klaus Anderegg über die Familie Heimen. Gemäss der Maturaarbeit von Melanie Ritz am Kollegium Spiritus Sanctus 2009/10 soll Anton Werlen bei einem Reitunfall tödlich verunfallt sein. Zeit und Ort sind unbekannt. Sein Traum, mit eifrigem Arbeiten einmal reich zu werden, ging nicht in Erfüllung.


  1. Quellen: Zusammenstellung von Klaus Anderegg sowie (zu den Musikern Adolf und Josef Walpen) Publikationen im Internet. ↩︎

  2. Im Internet finden sich Texte und Bilder zum Wirken der überregional bekannten Volksmusiker. ↩︎

  3. Er war zweifellos ein Verwandter von Daniel Ritz, aber kaum der berühmte, aus Niederwald stammenden Hotelier César Ritz, obwohl es von dessen Lebensdaten her möglich wäre (1850-1918). Gemäss einer späteren Auflistung von Erbschaften stammte Ritz aus Blitzigen; dort erbte er von seinem Vater ein Landgut. ↩︎

  4. Daniel Ritz' Mutter stammte aus Turtmann. Sie dürfte ihm für die Reise fast ihr ganzes Geld ausgehändigt haben. ↩︎

  5. Daniel Ritz hatte schon im Wallis ein Alkoholproblem. ↩︎

  6. Die Kolonie Esperanza befindet gut 20 km von SJN entfernt. ↩︎

  7. Quirin ist einer von Rosalias Brüdern. (Alle sind sie, wie das Foto oben zeigt, deutlich jünger als sie.) ↩︎

  8. Im Walliser Dialekt wird kommen bis heute auch im Sinne von werden gebraucht. ↩︎

  9. Dass man in Briefen an die Eltern das Höflichkeitspronomen verwendete, war üblich. Noch heute kommt bei Kindern betagter Eltern vor, dass sie sie mit «ihr» statt mit «du» ansprechen. (Beispiel: die 12 Kinder der (2020 verstorbenen) Anna Zumthurm in Binn.) ↩︎

  10. Vicente Tschieder, 1870 in Brig geboren, kam als 3-Jähriger nach Argentinien, kehrte als Erwachsener mit seiner Frau nach 1900 nach Brig zurück und wohnte da insgesamt 18 Jahre. In dieser Zeit arbeitete er in einer Schiffsreise-Agentur. 1924 kehrte er nach Argentinien zurück und liess sich in SJN nieder. Dort führte er ein kleines Geschäft, wo er insbesondere Gesundheitspräparate anbot. Die meisten bezog aus der Schweiz, v.a. aus einer Briger Apotheke. Er vermittelte auch Abonnemente von Walliser Zeitungen und verkaufte Schweizer Jahreskalender. Bei Erbangelegenheiten von Migranten führte er oftmals den Briefverkehr mit den Waisenämtern der Herkunftsgemeinden. Rosalia Heimens Kritik bezieht sich vermutlich auf Tschieders Tätigkeit in der Auswander-Agentur. ↩︎

  11. Nicht zu verwechseln mit Maria und Auxilius Perren in SJN. ↩︎

  12. Alexander Walpen war der Ehemann von Rosalias Schwester. Er arbeitete bis 1919 in Kalifornien (vgl. Einleitungstext zum Heimen-Kapitel). ↩︎

  13. Exilius und Auxilius sind zwei unterschiedliche Schreibweisen für denselben Namen. ↩︎

  14. Blitzingen war bis 2017 Munizipalgemeinde, seither ist der Ort Teil der aus der Fusion mehrerer Gemeinden entstandenen neuen Gemeinde Goms. ↩︎