Ärztliche Versorgung

6. Juni 2021

Erst gegen Ende der Rückschau kommt Theler auf das Thema Gesundheit resp. ärztliche Versorgung zu sprechen. Das hängt ohne Zweifel damit zusammen, dass sich alle Familienmitglieder (abgesehen vom verstorbenen Sohn Meinrad) durchwegs einer robusten Gesundheit erfreuten. Maria Josepha scheint alle Geburten ohne nennenswerte Komplikationen überstanden zu haben. In der Chronologie der Erzählung gibt es nur zwei Stellen, wo von einer physischen Beeinträchtigung die Rede ist, und zwar bei ihm selber, das erste Mal, als er kurz nach der Ankunft in Argentinien wegen eines eiternden Fusses eine Zeitlang arbeitsunfähig war, und später, als er sich bei der Arbeit in der Schmiede derart verletzte, dass er diese Arbeit aufgab.

Zu Hilfeleistungen in kranken Tagen schreibt Theler:

Der Gesundheitszustand war unter den Colonisten so ziemlich gut, und wer etwas wusste von Heilkraft, sagte es dem anderen, so dass gegenseitig die Colonisten einander zu Hülfe kamen in kranken Tagen. Hier konnte man öfters wahrnehmen das Sprichwort: Hilf dir selbst, so hilft dir Gott. Will oder musste jemand zum Arzt, so musste man bis Rafaela 150 km weit. Das war keine Kleinigkeit, erst recht darum, weil die Eisenbahn bloss einmal pro Tag jede Richtung fuhr. Kneipp-Bücher und solche des Louis Kühnen1 machten uns sehr gute Dienste. Quacksalber und Humdopatie [?] fehlte[n] nicht. So half, wer helfen konnte.

Im Kalender führte Theler eine Rezepte-Rubrik. Drei Einträge seien hier wiedergegeben (der erste in der originalen Schreibweise, die beiden weiteren bezüglich Syntax, Grammatik und Rechtschreibung heutiger Schreibweise angenähert):

Rezept fürs [Grup] [Keuchhusten]

Sobalt man das Grup oder eine verstopfung im Hals bemerkt solle man dem Patient einen Teelöffel voll Schiespulver in den Hals blasen. Nach kurzer Zeit sei der Hals gelößt u das Grup nehme den rückzug.

oder noch besser:

heis[s]es Wasser machen / Es[s]ig hinein tun, dan[n] Lain fetzen [ein Stück Stoff aus Leinen] darin tauchen u so heis[s] man verleiden [ertragen] mag um den Hals schlagen von ½ zu ½ stunden [nach einer halben Stunde wiederholen]

Rezept für das [Gries]2 oder Wasserlaßen

Im Alter von 10 Jahren 8 Stück (je 5 Jahre älter 2 Stück mehr) Schneckenschalen gut auswaschen u reinigen, nachher selbe in einem ganzen oder halben Liter Wasser abkochen, bis die Hälfte Wasser zugekocht ist.

Dann das gekochte Wasser ausgiessen u in 3 gleichen Teilen abkühlen lassen. Der Patient soll, sobald [der Absud] trinkbar [ist], mit etwas Zucker einen Teil trinken, 5 Minuten später den 2. Teil u wenn es noch nicht genügt, 5 Minuten später den 3. Teil. Es wird das Gries lösen u das Wasser fliesst.

Auch Zinnkraut zu trinken soll noch besser sein.

Zwei Hausrezepte, wie Brandwunden zu behandeln sind:

Speck bestecken mit Haferkörner[n]. Den Speck anzünden u in ein Gefäß tröpfelnd verschmelzen lassen. Gesiebt [er]gibt ein[e] vortreffliche Salb[e] für Brandwunden.

Für Brandwunden ein Salb[e] anfertigen, je zu gleichen Teilen das Gelbe vom Ey, Olivenöl, Honig u Weizenmehl.


  1. Gemeint sein dürfte der deutsche Naturheilkundler Louis Kuhne (1835-1901). ↩︎

  2. Grie(n) oder Gries bezeichnet eine Blasenkrankheit. (Gries in der Blase erschwert das Harnlösen.) (Quelle: Schweizerisches Idiotikon.) ↩︎